BGB § 249
Leitsatz
Die regelmäßig erforderliche mindestens sechsmonatige Weiternutzung des bei einem Verkehrsunfall beschädigten Pkw ist nicht nur dann keine Fälligkeitsvoraussetzung, wenn der Geschädigte einen zwischen Wiederbeschaffungswert und 130 % des Wiederbeschaffungswertes liegenden Schaden konkret abrechnet (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 18.11.2008 – VI ZB 22/08 –, BGHZ 178, 338-346), sondern auch dann nicht, wenn der Geschädigte einen zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert liegenden Schaden fiktiv abrechnet.
OLG München, Urt. v. 19.12.2023 – 24 U 3811/23 e
1 Sachverhalt
I. Gegen das seine Klage als derzeit unbegründet abweisende Urteil des Landgerichts Kempten vom 22.8.2023 – 14 O 730/23, seinem Prozessbevollmächtigten zugestellt am 23.8.2023, hat der Kläger mit am 21.9.2023 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 13.10.2023 eingegangenem Schriftsatz begründet. Unter Verweis auf die am 12.9.2023 erfolgte Bezahlung der Hauptsacheforderung und der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger seinen Antrag in der Berufungsinstanz dahingehend abgeändert, dass er hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten die Feststellung der Erledigung und im Übrigen nur noch die Zahlung von Zinsen auf die Hauptforderung für den Zeitraum vom 18.3.2023 bis einschließlich 11.9.2023 beantragt. Der Beklagtenvertreter ist dem entgegengetreten, indem er mit der Berufungserwiderung vom 27.11.2023 die Zurückweisung der Berufung beantragt hat.
Auf die Verfügung des Berichterstatters vom 28.11.2023 hin erklärten beide Parteivertreter ihr Einverständnis mit der Durchführung eines schriftlichen Verfahrens gemäß § 128 Abs. 2 ZPO, in welchem daher gemäß Beschl. v. 4.12.2023 entschieden wird.
2 Aus den Gründen:
II. 1. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthafte Berufung gegen das den Kläger beschwerende Urteil des Landgerichts Kempten vom 22.8.2023 – 14 O 730/23, ist form- und fristgerecht im Sinne der §§ 517, 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1 bis 3 ZPO eingelegt worden und somit zulässig.
2. Die Umstellung des Klageantrags in der Hauptsache sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von einem Leistungsantrag zu einem Feststellungsantrag dahingehend, dass der Rechtsstreit insoweit durch die Zahlung vom 12.9.2023 erledigt wurde, ist gemäß § 264 Nr. 2 ZPO nicht als Klageänderung anzusehen (BGH vom 19.6.2008 – IX ZR 84/07 – juris Rn 8) und daher auch in der Berufungsinstanz ohne Rücksicht auf die Beschränkungen des § 533 ZPO zulässig (vgl. BGH vom 19.3.2004 – V ZR 104/03 – juris Rn 25).
3. Die Berufung ist sowohl hinsichtlich des Feststellungsantrags als auch hinsichtlich des verbliebenen Leistungsantrags (bezüglich Zinsen auf die Hauptforderung für die Zeit vom 18.3.2023 bis zum 11.9.2023) begründet.
a) Die Erledigungserklärung des Klägers hinsichtlich der Hauptsacheforderung und der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist einseitig geblieben, da der Beklagtenvertreter ihr nicht zugestimmt hat, sondern ihr mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung entgegengetreten ist. In der einseitig gebliebenen Erledigungserklärung liegt eine (wie ausgeführt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte) Klageänderung in eine Feststellungsklage mit der dreifachen klägerischen Behauptung, dass die Klage im Zeitpunkt des nach Auffassung des Klägers erledigenden Ereignisses (1) zulässig und (2) begründet war, jedoch (3) nachträglich durch ein bestimmtes Ereignis nach Rechtshängigkeit (hier: Zahlung am 12.9.2023) unzulässig oder unbegründet geworden sei (vgl. BGH vom 2.3.1999 – VI ZR 71/98 – juris Rn 12).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Unabhängig davon, ob man (mit dem Landgericht) bei fiktiver Abrechnung eines Unfallschadens in Höhe zwischen Wiederbeschaffungsaufwand und Wiederbeschaffungswert im Erfordernis einer regelmäßig mindestens sechsmonatigen Weiternutzung des Fahrzeugs (vgl. BGH vom 23.5.2006 – VI ZR 192/05 – juris Rn 8 bis 10) eine Fälligkeitsvoraussetzung sieht oder (mit dem Kläger) nicht, ist die Klage jedenfalls mit Ablauf des Sechsmonatszeitraums während der Berufungsinstanz – da das Auto nach dem von niemandem angegriffenen unstreitigen Tatbestand jedenfalls am 3.3.2023 wieder in einem verkehrssicheren Zustand befand, spätestens seit dem 4.9.2023 – zulässig und begründet gewesen. Die somit jedenfalls seit dem 4.9.2023 bestehenden fälligen klägerischen Zahlungsansprüche (Hauptsachebetrag und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) haben sich durch die am 12.9.2023 erfolgte Zahlung erledigt. Der Antrag auf Feststellung der Erledigung in der Hauptsache sowie bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist also vollumfänglich begründet, ohne dass es insoweit auf die Frage ankommt, ob im Erfordernis einer mindestens sechsmonatigen Weiternutzung des Autos eine Fälligkeitsvoraussetzung liegt oder nicht.
b) Dem Kläger stehen aus dem Gesichtspunkt des Verzugs auch Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 288 Abs. 1 BGB) aus dem Hauptsach...