RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
Führt der mit der außergerichtlichen Verkehrsunfall-Schadenregulierung beauftragte Rechtsanwalt mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung telefonische Besprechungen zum Unfallhergang und zur Haftung und nimmt er an einem Ortstermin des von der Haftpflichtversicherung beauftragten Sachverständigen teil, entspricht die Bestimmung einer 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG billigem Ermessen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
AG Saarbrücken, Urt. v. 14.9.2007 – 37 C 1218/06
Sachverhalt
Der mit der Verkehrsunfall-Schadenregulierung von der Klägerin beauftragte Rechtsanwalt führte mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung mehrere Telefongespräche, in denen es um den Unfallhergang und die Haftung der Unfallbeteiligten ging. Die Haftpflichtversicherung beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens. Der Rechtsanwalt der Klägerin nahm an dem von diesem Sachverständigen angesetzten Ortstermin teil, in dem die unfallbeteiligten Fahrzeuge gegenübergestellt wurden.
Mit ihrer Klageschrift machte die Klägerin Reparaturkosten, eine Nutzungsausfallentschädigung, den Ersatz eigener Sachverständigenkosten, eine Auslagenpauschale sowie die auf der Grundlage einer 1,8 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG berechneten Anwaltskosten für die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten geltend. Das AG Saarbrücken ist von einer Haftung der Beklagten in Höhe von 2/3 der unfallbedingten Schäden der Klägerin ausgegangen und hat auf dieser Grundlage auch die 1,8 Geschäftsgebühr zuerkannt.
Aus den Gründen
“ … 3) Die Klägerin hat ferner einen Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz der für die vorgerichtliche Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten angefallenen Gebühren aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB, 3 PflVG in Höhe von 151,09 EUR.
Dabei war die berechnete 1,8-Geschäftsgebühr nicht zu beanstanden.
Es entspricht zwischenzeitlich gefestigter Rspr. des Bundesgerichtshofs, dass grundsätzlich der durchschnittliche Verkehrsunfall mit einer 1,3-Geschäftsgebühr abgerechnet werden darf.
Vorliegend gab es unstreitig telefonische Besprechungen mit der Beklagten zu 2) zu Unfallhergang und Haftung, was den Umfang der Bearbeitung erhöht (AG Wildeshausen, Urt. v. 16.11.2005, Verkehrsrecht aktuell 2006, 5, Orientierungssatz zitiert nach JURIS) und zudem auch deshalb bei der Gebührenbemessung berücksichtigt werden darf, weil dies noch unter Geltung der BRAGO zusätzlich eine Besprechungsgebühr ausgelöst hätte.
Der Umfang der Bearbeitung wurde vorliegend des Weiteren durch den vorgerichtlichen Ortstermin mit dem Sachverständigen erhöht. DieWahrnehmung dieses Termins durch einen vorgerichtlich mandatierten Rechtsanwalt ist sinnvoll und zur sorgfältigen Mandatsbearbeitung auch erforderlich, zumal der Termin in der Tendenz abklären sollte, ob eine außergerichtliche Erledigung der Angelegenheit möglich ist. Zugleich aber mögen Ortstermine zur vorgerichtlichen Aufklärung des Unfallhergangs, insbesondere wenn die Kompatibilität streitig ist, nicht selten vorkommen. Sie stellen aber nicht die Regel dar und erhöhen auf Grund der vom Anwalt zur Terminswahrnehmung aufzuwenden Zeit, zumal der Anwalt sich auch mit dem Gutachten selbst wiederum auseinander setzen muss, deutlich den Umfang der Angelegenheit.
Angesichts des dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessens beschränkt sich die Kontrolle der Gebührenbemessung des Gerichts darauf, ob die Bestimmung unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG), wofür angesichts der vorstehenden Ausführungen nichts ersichtlich ist.
Die Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer nach § 14 Abs. 2 RVG war nicht erforderlich, da vorliegend kein Streit zwischen Auftraggeber und Anwalt, sondern zwischen Auftraggeber und einem ersatzpflichtigen Dritten gegeben ist (AG Köln, Urt. v. 8.6.2005, 147 C 86/05, zitiert nach JURIS).“
Mitgeteilt von RAen Hemmer & Schwarz, Riegelsberg
Anmerkung
Anmerkung
Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. In Durchschnittsfällen fällt für die Regulierung in Verkehrsunfallsachen im Regelfall eine 1,3 Geschäftsgebühr an (BGH NJW 2006, 1511 = zfs 2006, 408 = RVGreport 2006, 236 (Hansens) = AGS 2006, 408 = AnwBl. 2006, 418; OLG München zfs 2007, 48 mit Anm. Hansens; BGH zfs 2007, 102 mit Anm. Hansens). Zutreffend ist das AG hier davon ausgegangen, dass die mehreren telefonischen Unterredungen des Rechtsanwalts der Klägerin mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung sowie die Teilnahme an dem Ortstermin des Sachverständigen den Gebührensatz erheblich angehoben haben. Ohne nähere Erörterungen hat das AG dabei angenommen, dass die anwaltliche Tätigkeit umfangreich und/oder schwierig war (siehe Anm. zu Nr. 2300 VV RVG).
Die Berechnung der zuerkannten Geschäftsgebühr kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Dem materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der ihr entstandenen vorgerichtlichen Anwaltskosten ist nämlich im Verhältnis zu den Beklagten der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht, so BGH zfs 2008, 164 f. mit Anm. Hansens = RVGreport...