Nach § 843 Abs. 3 BGB kann der Verletzte eine Abfindung in Kapital verlangen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Wenn ein "wichtiger Grund" vorliegt, besteht ein einklagbarer Anspruch.
Nach der Rechtsprechung zu § 843 Abs. 3 BGB ist dies selten der Fall. Ein "wichtiger Grund" für eine Kapitalabfindung liegt z.B. vor, wenn der Schädiger Zahlungsschwierigkeiten hat.
Ferner kann ein "wichtiger Grund" vorliegen, wenn eine Einmalzahlung einen günstigen Einfluss auf den Zustand des Verletzten hat. § 843 Abs. 3 BGB ist seit Jahren umstritten.
Zuletzt wurde dieser beim 43. Verkehrsgerichtstag in Goslar wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Bisher konnten Versicherer jedoch verhindern, dass das Gesetz geändert wurde. Der Grund liegt auf der Hand. Durch die Nichtänderung des aktuellen § 843 Abs. 3 BGB sparen Versicherer Milliarden Euro. Aus diesem Grund versuchen Versicherer auch, Personengroßschäden generell durch einen Abfindungsvergleich zum Ende zu bringen, um die Akte ins Archiv legen zu können. Aus Anwaltssicht ist hier äußerste Vorsicht geboten. Die Schadensregulierer der Versicherer sind hochprofessionell geschult und kennen sich im Detail exakt aus. Großschadensregulierer bearbeiten den ganzen Tag derartige Fälle. Das Problem an der Sache ist nun folgendes: Dadurch, dass der Geschädigte keinen Anspruch auf Kapitalisierung hat, kann er auch nicht durch ein ordentliches Gericht überprüfen lassen, ob die Faktoren der Kapitalisierung durch den Versicherer richtig gewählt sind oder nicht, da ein "richtig" von der Rechtsordnung nicht vorgegeben wird. In der Praxis läuft dies oftmals auf ein Diktat der Versicherer hinaus, was unter dem Stichwort des "Take it or leave it-Gedankens" zusammengefasst werden kann. Der Geschädigte hat entweder das Diktat des Versicherers, u.a. den Zinssatz von 5 %, hinzunehmen oder aber er erhält keine Kapitalabfindung.
Es wird nun von Versichererseite argumentiert, dass der Gesetzgeber mit § 843 Abs. 3 BGB verhindern wollte, dass die Kapitalabfindung von dem Geschädigten sinnlos ausgegeben wird, z.B. durch eine Luxusanschaffung, und dieser dann anschließend finanziell die Allgemeinheit belastet und soziale Leistungen des Staates in Anspruch nimmt. Jeder Anwalt, der Personengroßschäden reguliert, weiß, dass dies für die Mehrzahl der Fälle nicht zutrifft. Denn den meisten Geschädigten geht es bei der Kapitalisierung darum, dass sie den Fall aus ihrer Sicht endlich "finanziell" abgeschlossen haben. Die Geschädigten wollen sich nicht jedes Vierteljahr oder jedes Jahr wieder mit dem Anwalt und dem Versicherer zusammensetzen und wieder über die Problematik sprechen. Schwerstverletzte mit Dauerschäden können ihr altes Leben auch nicht ansatzweise fortführen. Gerade bei derartigen Fällen weisen Ärzte darauf hin, dass viele der Patienten sogar suizidgefährdet sind. Einen solchen Menschen nunmehr vielleicht 20 oder 30 Jahre lang immer wieder mit dem Unfall und mit zähen Verhandlungen über etwaige Schadensersatzpositionen zu konfrontieren ist dermaßen belastend und zermürbend, dass es nahe liegt, dass die Geschädigten aus ihrer Sicht die Regulierung gerne beenden wollen.
Daneben wollen viele Betroffene sich auch eine neue Existenz aufbauen und benötigen deshalb eine Kapitalabfindung. Der normale berufliche Alltag kann in der Regel nicht fortgesetzt werden. Aus Anwaltssicht kann man dann auch entsprechende Vorbehalte berücksichtigen, z.B. dass etwaige Einkünfte, die der Geschädigte aus einer selbständigen Tätigkeit in Zukunft erhalten soll, auf die Kapitalabfindung nicht anzurechnen sind. So erhält der Geschädigte aus psychologischer Sicht auch einen Vorteil, da es für sein Selbstbewusstsein und für seine Lebensplanung vorteilhaft ist, wenn er selber wieder arbeiten kann, es aber nicht muss.
Vor diesem Hintergrund sollte der Gesetzgeber dringend die aktuelle Gesetzeslage überdenken und dem Geschädigten ein Wahlrecht einräumen. Dies würde bedeuten, dass der Geschädigte es in der Hand hat, ob er kapitalisiert oder nicht. Bei einem Wahlrecht kann der Geschädigte entscheiden, ob er Rente oder Kapital will. Der Geschädigte ist derjenige, für den sich das Leben vollständig ändert und der lernen muss, mit den Folgen des Unfalls und unter Umständen einer Behinderung zu leben.
In anderen Lebensbereichen wird auch immer propagiert, dass Transparenz wichtig sei. Insofern stellt sich die Frage, warum wir in Deutschland bei derartigen wichtigen Bereichen, wie den Personengroßschäden, kaum Transparenz haben. Es fehlt an der Transparenz, weil der Geschädigte keinen Anspruch hat, durch ein ordentliches Gericht überprüfen zu lassen, ob der Kapitalisierungsbetrag richtig ist oder nicht. Insofern sind uns andere Länder, wie die Schweiz, weit voraus. Dort ist eine derartige restriktive Gesetzeslage gerade nicht gegeben.
Wenn tatsächlich die Verhandlungsergebnisse mit den Versicherern so geschädigtenfreundlich sind, wie von Versichererseite immer propagiert, dann spricht nichts dagegen, dass diese auch tatsächlich einmal durch ...