BGB §§ 145 ff.
Leitsatz
Es besteht keine allgemeine Verkehrssitte, nach der eine Erklärung der Annahme eines Antrags auf Deckungserweiterung durch den Versicherer nicht zu erwarten ist.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.8.2008 – 7 U 35/07
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt bedingungsgemäße Leistungen aus einer bei der Beklagten unter Einbeziehung der AERB 87 genommenen Geschäftsinhaltsversicherung mit der Behauptung, am 10.10.2005 seien bei einem Einbruch in einen Nebenraum ihres Geschäftslokals, für welchen zu diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz bestanden habe, Waren entwendet worden. Nach der Police waren Versicherungsorte das Geschäftslokal … in O1 sowie das Lager … straße … in O1 und war eine Überwachung der Räume durch eine Einbruchmeldeanlage vereinbart. Im Oktober 2004 beantragte die Klägerin über ihren Makler A eine befristete Erweiterung des Versicherungsschutzes auf den Nebenraum, in dem ein Lagerrestpostenverkauf durchgeführt werden sollte. Die Beklagte fertigte einen Nachtrag für den weiteren Risikoort für die Zeit vom 5.10. bis 31.12.2004 aus, dem zufolge der sonstige Vertragsinhalt unverändert blieb. Auf einen weiteren Antrag der Klägerin hin bestätigte die Beklagte eine Verlängerung der zusätzlichen Deckung gem. dem Nachtrag bis zum 1.5.2005. Bezüglich des behaupteten Einbruchsdiebstahls in den Nebenraum vom 10.10.2005 lehnte die Beklagte Leistungen ab unter Hinweis darauf, dass zum einen der Versicherungsschutz für diesen Raum bereits vor dem 10.10.2005 geendet habe und dass zum anderen – was unstreitig ist – der Nebenraum nicht mit einer Einbruchmeldeanlage versehen gewesen sei. Die Klägerin hat behauptet, dass ein Mitarbeiter der Beklagten gegenüber dem Makler A im Zusammenhang mit der ersten Deckungserweiterung mündlich erklärt habe, dass auf die Installation einer Einbruchmeldeanlage in dem Nebenraum verzichtet werde. Sie hat weiter behauptet, dass der Makler am 19.8.2005 bei der Beklagten per Fax eine erneute Erweiterung der Deckung auf den Nebenraum beantragt habe. Nach Angaben des Maklers liege diesem ein entsprechendes Faxprotokoll vor, um dessen Erhalt sich die Klägerin bemühen werde.
Aus den Gründen
“Die Berufung hat keinen Erfolg, weil selbst bei unterstelltem Zugang eines Antrags vom 19.8.2005 bei der Beklagten eine Vereinbarung über eine Deckungserweiterung auf den Nebenraum nicht festgestellt werden kann. Im Bereich der Versicherungsverträge geht die Verkehrssitte dahin, dass der Versicherer seinen Annahmewillen durch die Übersendung einer Police oder eines Nachtrags zu erklären pflegt (BGH NJW 1976, 289 Rn 13 u. 16; OLG Hamburg VersR 1988, 1169). Eine allgemeine Verkehrssitte, dass eine Annahmeerklärung des Versicherers nicht zu erwarten sei, besteht hingegen nicht (BGH VersR 1987, 923 f. Rn 9). Im vorliegenden Fall gilt nichts anderes. Denn auf die Anträge der Klägerin auf Erweiterung des Versicherungsschutzes und – später – auf deren Verlängerung hat die Beklagte mit der Übersendung des Nachtrags und eines Bestätigungsschreibens reagiert. Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, dass auf den behaupteten dritten Antrag hin – zu einem Zeitpunkt, als die erweiterte Deckung bereits mehrere Monate erloschen war – die Übersendung eines weiteren Nachtrags nicht zu erwarten gewesen sei. Da der Klägerin eine Annahmeerklärung der Beklagten unstreitig nicht zugegangen ist, bestand zum Zeitpunkt des behaupteten Einbruchs kein Versicherungsschutz für den Nebenraum.
3 Anmerkung
Hintergrund des abgedruckten Hinweisbeschlusses war ein nicht beschiedener Antrag vom 19.8.2005 auf eine erneute Erweiterung von am 1.5.2005 abgelaufenem Versicherungsschutz. Der "Versicherungsfall" ist am 10.10.2005 eingetreten. Völlig zutreffend hat das OLG Deckung aus einem Versicherungsvertrag versagt: Ein solcher Antrag bedarf der Annahme. Nicht diskutiert wurde allerdings, ob der Versicherer auf den (unterstellt zugegangenen) Antrag nicht hätte reagieren müssen und infolge des Ausbleibens einer Reaktion Schadensersatz nach §§ 280, 663 oder §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB (nach neuem Recht nach § 6 Abs. 4 VVG) geschuldet wäre. Auch wenn Versicherer nicht gehalten sind, Anträge anzunehmen, und auch wenn man die Angebote von Versicherern nicht als öffentliches Anerbieten der Besorgung von Geschäften betrachtet, müssen Versicherer Anträge auf Abschluss von Verträgen alsbald bearbeiten und bescheiden (OLG Saarbrücken, VersR 2006, 1345). Je nach der sich aus dem Angebot ergebenden Dringlichkeit der Deckung und je nach der Komplexität der Risikoprüfung ist die dem Versicherer zuzugestehende Dauer einer Reaktion allerdings verschieden. Geht es wie hier um zwei Monate bei von dem Versicherer in der Vergangenheit gewährter Deckung könnte die Grenze erreicht sein.
Prof. Dr. Rixecker