VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4, Nr. 2300, 3100; RVG §§ 3a ff.; ZPO § 91 Abs. 1
Leitsatz
Hat die erstattungsberechtigte Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuale Tätigkeit eine Pauschalvergütung vereinbart, kommt eine Anrechnung auf die die im Rechtsstreit angefallene Verfahrensgebühr nicht in Betracht, so dass diese Gebühr in unverminderter Höhe festzusetzen ist.
(Leitsatz des Bearbeiters)
KG, Beschl. v. 5.2.2009 – 2 W 228/08
Sachverhalt
Das LG Berlin hatte dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Der obsiegende Kläger hat die Festsetzung seiner außergerichtlichen Kosten, darunter eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG, begehrt. Der Rechtspfleger des LG hat für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers hiervon eine 0,75 Geschäftsgebühr in Abzug gebracht. Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde wendet sich der Kläger mit dem Vorbringen, er habe mit seinem Rechtsanwalt für dessen vorgerichtliche Tätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart, das er auch bezahlt habe. Die Richtigkeit dieses Vortrages hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert. Der erstattungspflichtige Beklagte hat die Vereinbarung bestritten und pauschal die Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung infrage gestellt.
Das KG hat den abgesetzten Teil der Verfahrensgebühr nachträglich festgesetzt.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: „…Der Senat folgt inzwischen in st. Rspr. der Auffassung des BGH (vgl. Beschl. v. 22.1.2008, NJW 2008, 1323), dass die Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des folgenden Rechtsstreits anzurechnen ist, was insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren zu beachten ist. Die hierfür maßgebende Vorschrift der Anlage 1, Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG sieht eine solche Anrechnung aber nur vor, soweit wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG entstanden ist. Wie der Kläger im Beschwerdeverfahren glaubhaft gemacht hat, ist eine solche Gebühr aber für die vorprozessuale Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten tatsächlich nicht entstanden.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger tatsächlich mit seinem Prozessbevollmächtigten ein Pauschalhonorar für dessen vorprozessuale Tätigkeit vereinbart hatte. Insoweit hat der Kläger vorgetragen, dass er eine solche Vereinbarung getroffen habe und er dementsprechend eine Abrechnung über Pauschalhonorar erhalten und auch beglichen habe. Die Richtigkeit dieses Vortrages hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers anwaltlich versichert. Dieser Vortrag reicht zur hinreichenden Glaubhaftmachung im vorliegenden Verfahren aus, zumal die Beklagte es beim schlichten Bestreiten des Vortrages des Klägers hat bewenden lassen. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass bei Unaufklärbarkeit der Anrechnungsvoraussetzungen es bei der Beweislastentscheidung zu Lasten dessen bleibt, der sich abweichend vom gesetzlichen Regelfall einer 1,3-Verfahrensgebühr nach Nummer 3100 VV RGV auf die Anwendbarkeit der als Ausnahmebestimmung zuwertenden Anrechnungsvorschrift nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVF beruft (BGH, Beschl. v. 22.1.2008, NJW 2008, 1323).
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Vergütungsvereinbarung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ausnahmsweise unwirksam sein könnte, was die Beklagte pauschal infrage gestellt hat, sind weder vorgetragen noch ansonsten ersichtlich.
Wird aber im Verhältnis zwischen der Partei und seinem Anwalt nicht nach den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, sondern nach einer Vergütungsvereinbarung abgerechnet, kommt eine Anrechnung nach Anlage 1, Teil 3, Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht (Hansens, RVGReport 2008, 324). … “
Mitgeteilt von RA Peter Platt, Berlin
3 Anmerkung
Der Entscheidung ist zuzustimmen.
I. Berücksichtigung der Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren
Nach der ständigen Rspr. des BGH, beginnend mit dem Beschluss des VIII. ZS v. 22.1.2008, zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = NJW 2008,1323 = RVGreport 2008,148 (Hansens) = AnwBl. 2008, 378 ist die in Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren stets zu berücksichtigen. Dieser Auffassung hatte sich der hier entscheidende 2. ZS des KG bereits angeschlossen, so RVGreport 2009, 27 (Hansens). Demgegenüber berücksichtigt der 1. ZS des KG die Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren ausnahmsweise nur dann, wenn die Geschäftsgebühr tituliert oder unstreitig vom Gegner bezahlt worden ist, RVGreport 2009, 28 (Hansens).
II. Keine Anrechnung bei Pauschalhonorarvereinbarung
Eine Anrechnung einer Geschäftsgebühr setzt nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG voraus, dass dem Rechtsanwalt überhaupt eine Geschäftsgebühr angefallen ist. Das war hier streitig. Das KG hat sich jedoch auf den durch die anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten gestützten Vortrag des Klägers bezogen, er habe für die vorprozessuale Tätigkeit ein Pauschalhonorar vereinbart. Unte...