BGB § 824; ProdHG § 1
Leitsatz
1) Nach dem Inverkehrbringen des Produkts ist der Hersteller zur Beobachtung des Produkts auf nicht bekannte schädliche Eigenschaften und auf Information über Gefahrenlage schaffende Verwendungsfolgen verpflichtet.
2) Die Sicherungspflichten des Herstellers nach dem Inverkehrbringen beschränken sich nicht auf Warnhinweise. Drohen von dem Produkt Gefahren für Rechtsgüter der Abnehmer oder Dritter kann neben einem Rückruf eine umfassende Information der Abnehmer und eine Aufforderung zur Nichtbenutzung und Stilllegung geschuldet sein. Deliktsrechtlich schuldet der Hersteller dagegen nicht die Nachrüstung des Produkts zur Herbeiführung eines mangelfreien Zustandes.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 16.12.2008 – VI ZR 170/07
Sachverhalt
Die Klägerin, eine gesetzliche Pflegekasse, nimmt die Beklagte als Herstellerin von Pflegebetten aus eigenem und abgetretenem Recht einer anderen Pflegekasse (im Folgenden: Zedentin) auf Ersatz von Nachrüstungskosten in Anspruch.
Die Klägerin und die Zedentin hatten seit 1995 von der Beklagten hergestellte, elektrisch verstellbare Pflegebetten des Typs "Casa med II" bei Sanitätshäusern gekauft und sie bei ihnen versicherten Pflegebedürftigen für die ambulante häusliche Pflege zur Verfügung gestellt. Seit Mai 2000 informierte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehrfach die für die Überwachung von Medizinprodukten zuständigen obersten Landesbehörden über Mängel an Pflegebetten, die die Gefahr von Bränden der Betten infolge des Eindringens von Feuchtigkeit in elektrische Antriebseinheiten sowie von Einklemmungen infolge eines ungeeigneten Spaltmaßes von Seitengittern begründeten. Mit Schreiben vom 22.5.2001 informierten die Landesbehörden u.a. die Klägerin und die Zedentin über Sicherheitsrisiken von Pflegebetten infolge konstruktiver Mängel unter Beifügung detaillierter "Checklisten" und verbunden mit der Aufforderung, den jeweiligen Bestand zu überprüfen und ggf. nachrüsten zu lassen. Unter Bezugnahme darauf wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 27.6.2001 an "alle Kunden" und bot einen Nachrüstsatz einschließlich Einbau für 350 bis 400 DM je Bett an, der geeignet sei, die von den Behörden aufgezeigten Sicherheitsrisiken zu beseitigen.
Mit Schreiben vom 29.8.2001 bat die Klägerin die Beklagte um Mitteilung, welche der von ihr hergestellten Pflegebetten von den Mängeln betroffen und für welche eine Umrüstung möglich sei. Die Klägerin wies darauf hin, dass die Kosten für Umrüstungen oder Neuanschaffungen von der Beklagten zu tragen seien, dass sie selbst jedoch, sollte die Beklagte ihre Verpflichtung nicht anerkennen, die Kosten einstweilen unter dem Vorbehalt der Rückforderung übernehme. Die Zedentin bat die Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2001 um Mitteilung bis 31.10.2001, ob die Beklagte ihre Verpflichtungen zu Nachrüstung bzw. Austausch der Betten anerkenne, weil die Sorge um die Sicherheitsbelange keinen Aufschub dulde. Die Zedentin kündigte an, selbst alles Notwendige zu veranlassen und der Beklagten gegebenenfalls die Kosten in Rechnung zu stellen.
Als die Beklagte auf beide Schreiben nicht reagierte, veranlassten die Klägerin und die Zedentin die Nachrüstung der Betten. Die Klägerin beziffert die für den Austausch der Antriebseinheiten und der Seitengitter sowie für Montage eines Tropfwasserschutzes entstandenen Kosten mit 259.229,78 EUR.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Aus den Gründen
Aus den Gründen: [6] „I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in BB 2007, 2367 veröffentlicht ist, verneint kaufvertragliche Ansprüche zwischen den Parteien mangels Bestehens einer Vertragsbeziehung und eine Haftung der Beklagten aus § 823 BGB oder § 1 ProdHG, weil Personen- oder Sachschäden durch Benutzung der Pflegebetten nicht eingetreten seien. Aufwendungsersatzansprüche aus §§ 683, 677, 670 BGB, Rückgriffsansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) oder Rechte aus einem Gesamtschuldnerausgleich zwischen den Parteien (§§ 840, 426 BGB) stünden der Klägerin nicht zu, weil die Beklagte zu Rückruf und kostenloser Nachrüstung nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vielmehr mit der Nachrüstung allein ihren eigenen Rechtspflichten aus § 40 Abs. 3 S. 3 SGB XI nachgekommen sei. Einen Rückruf hätten die Behörden nicht angeordnet. Eine deliktische Pflicht der Beklagten zu Rückruf und Umrüstung gegenüber den Benutzern der Pflegebetten wegen drohender Gefahren für Leib oder Leben oder ein Anspruch auf Nachrüstung gegen die Beklagte auf Grund einer Schadensverhinderungspflicht entsprechend §§ 1004, 823 BGB hätten nicht bestanden, weil die Warnung im Schreiben der Beklagten vom 27.6.2001 ausreichend gewesen sei. Diese und die Informationen von Seiten der Behörden hätten den Pflegekassen ermöglicht, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Selbst im Falle eines ihr anzulastenden Konstruktionsfeh...