ZPO § 149
Setzt das Gericht die Verhandlung eines Zivilrechtsstreits gem. § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung eines Strafverfahrens aus, so muss für das (Rechts-)Beschwerdegericht auf Grund der Begründung des Aussetzungsbeschlusses nachprüfbar sein, dass das Gericht den Vorteil einer gründlicheren Klärung im Strafprozess auf Grund der konkreten Umstände des Falls gegen den Nachteil der Verzögerung einer Entscheidung im Zivilprozess abgewogen hat.
BGH, Beschl. v. 17.11.2009 – VI ZB 58/08
Auf der Grundlage der Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung und der Ausführungen der Rechtsbeschwerde ist von folgendem Sachverhalt auszugehen: Die Klägerin, eine Konzerngesellschaft der Daimler AG, nimmt den Beklagten zu 1) als ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin, den Beklagten zu 2) als ursprünglich freien Mitarbeiter der Klägerin und die Beklagte zu 3), ein von Mitarbeitern der Klägerin geführtes Konkurrenzunternehmen, auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin schätzt auf Grund von Ermittlungen der Revisionsabteilung der Daimler AG den eingetretenen und künftigen Schaden vorläufig auf rund 5,9 Mio. EUR, wobei die Feststellung des Schadens nicht abgeschlossen sei. Gegen die Beklagten zu 1) und 2) sowie weitere Verantwortliche der Beklagten zu 3) ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart u.a. wegen des Verdachts der schweren Untreue i.S.v. § 266 Abs. 2 StGB und des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gem. § 17 UWG bzw. Beihilfe dazu (Az. 148 Js 96085/06).
Nach Erörterung der Frage einer Verfahrensaussetzung und schriftsätzlichem Widerspruch der Klägerin dazu hat das LG das Verfahren gem. § 149 Abs. 1 ZPO bis zur Erledigung des Strafverfahrens ausgesetzt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit der dagegen gerichteten vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die Aussetzung nicht gerechtfertigt sei.
Aus den Gründen:
[3] “II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch begründet.
[4] 1. Der angefochtene Beschluss erweckt bereits deshalb Bedenken, weil er keine ausreichende Darstellung des Sachverhalts enthält. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen und schon deshalb aufzuheben (Senatsbeschluss vom 20.6.2006, VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschl. v. 20.6.2002, VersR 2003, 926; v. 12.7.2004, NJW-RR 2005, 78; v. 7.4.2005, BGH-Report 2005, 1000).
[5] Im Falle des § 149 ZPO müssen die streitigen Umstände, auf die es im Zivilverfahren ankommt und die im Strafverfahren leichter oder einfacher geklärt werden können, so konkret und eingehend dargestellt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Ermessensausübung der Vorinstanzen auf Ermessensfehler überprüfen kann. Dies ist nicht möglich, wenn nicht dargestellt ist, welche konkreten Ansprüche mit der Klage geltend gemacht werden und inwieweit diese auf strafbare Handlungen gestützt werden, die Gegenstand des Strafverfahrens sind. So liegt es im Streitfall. Zwar hat das Beschwerdegericht den für und gegen eine Aussetzung sprechenden Vortrag der Parteien dargestellt. Doch beschränkt sich dies auf die formalen Gesichtspunkte. Sowohl die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des Beschwerdegerichts als auch die Ausführungen in dem in Bezug genommenen Beschluss des LG lassen hingegen den sachlichen Gegenstand des Klageverfahrens nur andeutungsweise erkennen.
[6] 2. Dementsprechend ist auch nicht ausreichend erkennbar, dass die Ermessensausübung der Vorinstanzen auf ausreichenden Erwägungen beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im Hinblick auf die Überprüfung der Ermessensentscheidung ein eher großzügiger (vgl. dahin gehend etwa OLG Brandenburg, Beschl. v. 2.4.2007 – 12 W 9/07 – juris Rn 2; LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.5.2005 – 12 Ta 22/05 – juris Rn 12) oder ein engerer Maßstab (dahin gehend etwa OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.8.2007 – 12 W 24/07 – juris Rn 7; OLG Düsseldorf NJW 1980, 2534; OLG München NJW-RR 2008, 1091, 1092 f.; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 3.7.2006 – 4 W 60/06 – juris Rn 4; MüKo-ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 149 Rn 9 f.; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 149 Rn 12; vgl. auch Musielak/Stadler, ZPO, 7. Aufl., § 149 Rn 3, 4; Prütting/Gehrlein/Dörr, ZPO, § 149 Rn 3 ff.) anzulegen ist. Die Rechtsbeschwerde beanstandet mit Recht, dass sich die von den Vorinstanzen vorgenommene Abwägung auf allgemeine Erwägungen beschränkt, die sich mit dem konkreten Streitstoff nicht auseinander setzen.
[7] Das LG hat den Aussetzungsbeschluss im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Ausgang des Strafverfahrens sowie die dortigen Beweiserhebungen versprächen nach Einschätzung der Kammer einen zusätzlichen, erheblichen Erkenntnisgewi...