BGB § 426 Abs.1
Zur Frage der Beweislastumkehr auf Grund eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers für den selbständigen Ausgleichsanspruch eines Gesamtschuldners nach § 426 Abs. 1
BGH, Urt. v. 6.10.2009 – VI ZR 24/09
Die Klägerin, bei der der Gynäkologe Dr. B haftpflichtversichert ist, macht aus übergegangenem Recht gegenüber dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Belegklinik Dr. Bo GmbH den gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruch geltend.
Am 8.8.1997 wurde die Schwangere N A von Dr. B in die geburtshilfliche Abteilung der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin wegen prätibialer Ödeme eingewiesen. Am 9.8.1997 gegen 4.00 Uhr morgens hatte N A einen Blasensprung. Gegen 9.15 Uhr legte die Hebamme E einen Wehentropf an und kontrollierte die kindliche Herzfrequenz mittels eines CTG. Da die Herzfrequenz schon kurz nach Beginn der Aufzeichnungen bei 200 s/min. lag, verabreichte die Hebamme gegen 9.45 Uhr der Schwangeren Isoptin. Daraufhin sank die Frequenz auf 165 s/min. bis kurz vor 10.00 Uhr und bis 11.00 Uhr auf etwas unter 160 s/min. Dr. B untersuchte die Schwangere gegen 11.00 Uhr. Dabei sah er die CTG-Kurve nicht ein. Ohne weitere medizinische Maßnahmen zu veranlassen, verließ er die Klinik. Um die Mittagszeit begann N A aus der Scheide zu bluten. Da die Herztöne des Kindes gegen 13.15 Uhr auf 70 s/min. absanken, rief die Hebamme E um 14.15 Uhr Dr. B an, der um 14.20 Uhr eine sofortige Kaiserschnittentbindung anordnete. Um 14.25 Uhr verständigte E den Anästhesisten N, der gegen 15.00 Uhr im Krankenhaus eintraf. Die Narkose zur Durchführung der Notsectio wurde um 15.20 Uhr eingeleitet. Um 15.24 Uhr erfolgte die Geburt des Mädchens H A, das als Folge einer geburtsassoziierten hypoxisch-ischämischen Hirnschädigung unter einem schweren psychoneurologischen Restschadensyndrom leidet. Es besteht ein fokales cerebrales Anfallsleiden. H A kann weder allein essen noch trinken und muss über eine Sonde ernährt werden. Die Mutter N A musste wegen einer Uterusruptur und der Folgen einer vorzeitigen Plazentaablösung in die Frauenklinik in W. verlegt werden, wo die Gebärmutter entfernt werden musste.
Die Insolvenzschuldnerin hatte im Rahmen des Belegarztvertrages mit Dr. N vereinbart, dass er wegen der räumlichen Entfernung zu seinem Wohnort während der Bereitschaftszeit innerhalb von 45 Minuten nach Alarmierung in der Klinik eintreffen müsse. Dr. B kannte die Vereinbarung. Er erklärte sich am 23.1.1995 trotzdem damit einverstanden, dass Dr. N als Facharzt für Anästhesie die gesamte operative und postoperative anästhesiologische Betreuung seiner Patienten in der Belegklinik der Insolvenzschuldnerin auf Dauer übernimmt.
N A und H A haben Dr. B und die Insolvenzschuldnerin auf materiellen Schadensersatz und Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen (Az.: 4 O 2113/00 LG Braunschweig). Die Klage gegen die Insolvenzschuldnerin hat das LG durch rechtskräftig gewordenes Teilurteil vom 5.7.2001 abgewiesen. Danach ist die Insolvenzschuldnerin nach Streitverkündung dem Rechtsstreit gegen Dr. B beigetreten. Mit Grundurteil vom 13.6.2002 hat das LG die Klage gegen Dr. B dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das OLG Braunschweig hat mit Urt. v. 16.1.2003 (Az.: 1 U 70/02) die Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld an H A zurückgewiesen und festgestellt, dass Dr. B verpflichtet ist, ihr sämtliche künftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen. Am 24.5.2005 haben die Parteien einen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO abgeschlossen, auf Grund dessen Dr. B u.a. ein Schmerzensgeld von 500.000 EUR an H A zu zahlen hat.
Im Streitfall hat das LG der Klage auf Ausgleich der von der Klägerin erbrachten Zahlungen teilweise stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das OLG das Urteil des LG teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Anschlussberufung, mit der die Klägerin Ersatz von Rechtsverfolgungskosten begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Die vom BG zugelassene Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
[10] 1. Für den ausgleichsberechtigten Gesamtschuldner sind in der Regel drei Anspruchsgrundlagen in Betracht zu ziehen, zum einen der Regressanspruch aus § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, der gleichzeitig mit der Gesamtschuld entsteht, zum andern der zur Bestärkung des Regressrechts des Ausgleichsberechtigten kraft Gesetzes übergehende Anspruch des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner nach § 426 Abs. 2 BGB und des Weiteren außerhalb der Gesamtschuld stehende vertragliche oder gesetzliche Ansprüche z.B. aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherung zwischen dem ausgleichsberechtigten und den anderen Gesamtschuldnern. Diese Ansprüche können in Anspruchskonkurrenz zu § 426 Abs. 1 BGB und dem gem. § 426 Abs. 2 BGB übergegangenen Anspruch eine dritte Anspruchsgrundlage bilden, ihnen kommt vor allem die Wirkung zu, das Maß der offenen Regel des § 426 Ab...