BGB § 442 Abs. 1 S. 1 § 444
Leitsatz
1. Haben die Parteien einen Haftungsausschluss vereinbart, trägt der Käufer nach § 444 BGB grds. die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Umstände, die den Arglisttatbestand ausfüllen, wozu bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die fehlende Offenbarung gehört.
2. Da es sich bei der unterbliebenen Offenbarung um eine negative Tatsache handelt, kommen dem Käufer Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute.
3. Wendet der Verkäufer gegen die behauptete arglistige Täuschung ein, er sei davon ausgegangen, der Käufer sei über den Mangel bereits aufgeklärt worden, trifft ihn auch insoweit eine sekundäre Darlegungslast; dagegen trägt er die volle Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel unabhängig von einer ihm, dem Verkäufer, zurechenbaren Aufklärung erlangt (§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB).
BGH, Urt. v. 12.11.2010 – V ZR 181/09
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag vom 4.10.2006 kauften die Kl. von den Bekl. für 85.000 EUR ein Hausgrundstück unter Ausschluss der "Gewähr für Fehler und Mängel". Das Wohngebäude war im Jahr 1980 in Fertigbauweise errichtet worden. Den Bekl. war vor dem Vertragsschluss bekannt, dass in der Fassade Asbestzementplatten verarbeitet wurden. Sie teilten dies den Kl. jedoch nicht mit, obwohl zuvor ein Kaufinteressent wegen der Asbestbelastung von seinen Kaufabsichten abgerückt war. Nach der Übergabe forderten die Kl. die Bekl. erfolglos unter Fristsetzung auf, die Fassade im Wege der Nacherfüllung zu sanieren.
Die Kl. verlangen nunmehr Schadensersatz in Höhe der von ihnen mit 38.455,34 EUR veranschlagten Sanierungskosten sowie die Feststellung, dass die Bekl. zum Ersatz weiterer – derzeit noch nicht bezifferbarer – Schäden verpflichtet sind. Die Bekl. bestreiten eine Einstandspflicht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das diese Entscheidung bestätigende Berufungsurteil des 8. Zivilsenats des OLG hat der Senat mit Revisionsurteil vom 27.3.2009 (V ZR 30/08, BGHZ 180, 205 ff.) aufgehoben. Er hat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das BG zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung erneut – nunmehr durch den 16. Zivilsenat – zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kl. ihre Ansprüche weiter. Die Bekl. beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
2 Aus den Gründen:
[3] "Das BG erblickt in der Verwendung der asbesthaltigen Fassadenplatten zwar einen aufklärungspflichtigen Sachmangel, geht jedoch davon aus, dass die Kl. für das Vorliegen einer arglistigen Täuschung beweisfällig geblieben sind. Eine Täuschung durch aktives Tun lasse sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen. Im Übrigen erscheine es auch nachvollziehbar, dass die Bekl. davon ausgegangen seien, die Kl. hätten infolge der Information seitens des Maklers bereits Kenntnis von der Asbesthaltigkeit gehabt. Mit Blick auf die Verneinung einer arglistigen Täuschung durch Verschweigen hätten die Kl. darüber hinaus nicht bewiesen, dass sie von den Bekl. über die verbauten Asbestplatten nicht aufgeklärt worden seien. Der als Zeuge vernommene Makler habe glaubhaft bekundet, den Kl. seien vor Vertragsschluss die Finanzierungsunterlagen ausgehändigt worden, mit denen sie noch am selben Tage zu ihrem Finanzdienstleister gefahren seien. Bestandteil dieser Unterlagen sei die Baubeschreibung gewesen, aus der die Verwendung der Asbestplatten – auch für die Kl. – ohne weiteres ersichtlich gewesen sei.
[4] II. Die Revision ist begründet.
[8] 2. In der Sache hält das Berufungsurteil einer revisionsrechtlichen Überprüfung jedoch nicht stand.
[9] a) Gegen die Würdigung des BG, eine aktive Täuschung hätten die Kl. nicht bewiesen, erhebt die Revision allerdings keine Rügen.
[10] b) Zutreffend geht das BG auch davon aus, dass die asbesthaltige Fassadenverkleidung einen – offenbarungspflichtigen – Sachmangel begründet (vgl. Senat, Urt. v. 27.3.2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205, 207 ff.). Zwar scheidet nach der Rechtsprechung des Senats eine Pflicht zur Offenbarung aus, wenn es sich – anders als hier – um einen der Besichtigung zugänglichen und damit ohne weiteres erkennbaren Mangel handelt (vgl. nur Urt. v. 2.2.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, 30, 34; Urt. v. 8.4.1994 – V ZR 178/92, NJW-RR 1994, 907; Krüger, in: Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 9. Aufl., Rn 731 ff. m.w.N.). Indessen schließt die Möglichkeit, sich Kenntnis anderweitig – etwa aus übergebenen Unterlagen – zu verschaffen, die Pflicht zur Offenbarung nicht von vornherein aus.
[11] Ein verständiger und redlicher Verkäufer darf davon ausgehen, dass bei einer Besichtigung ohne weiteres erkennbare Mängel auch dem Käufer ins Auge springen werden und deshalb eine gesonderte Aufklärung nicht erforderlich ist. Konstellationen, in denen dem Käufer auf andere Weise die Möglichkeit gegeben wird, sich Kenntnis von einem Mangel des Kaufobjekts zu verschaffen, stehen der Besichtigungsmöglichkeit nicht ohne weiteres gleich. Mit Blick au...