AKB 2008 A.2.15.1
Leitsatz
1. In der Kaskoversicherung besteht kein bedingungsgemäßer Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung.
2. Wenn das Sachverständigenverfahren bedingungsgemäß als Recht des Versicherungsnehmers ausgestaltet ist, ist dessen Durchführung bei einem Streit über die Höhe nicht Fälligkeitsvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch.
OLG Hamm, Urt. v. 15.12.2010 – 20 U 108/10
Sachverhalt
Der Kl. ist Eigentümer des Pkw M, für den er bei der Bekl. eine Vollkaskoversicherung unterhält. Er verlangt Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung nach einer erheblichen Beschädigung seines Kfz durch Unbekannte. Der von der Bekl. beauftragte Sachverständige W veranschlagte die Kosten der Reparatur auf 17.306,13 EUR brutto. Unter Hinweis auf eine von ihm eingeholte Auskunft einer M-Fachwerkstatt, wonach die Reparatur einen Aufwand von ca. 30.000 EUR erfordere, verlangte der Kl. von der Bekl. die Einholung eines unabhängigen Gutachtens.
In dem daraufhin seitens des Kl. eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren ermittelte der Sachverständige K einen Reparaturaufwand von 25.667,59 EUR brutto.
Auf die Zahlungsaufforderung des Kl. v. 13.7.2009 teilte die Bekl. zunächst mit, die Zahlung von einer Überprüfung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens abhängig zu machen und zahlte am 20.8.2009 den Betrag von 20.489,66 EUR an den Kl.
Der Kl. hat mit seiner Klage Nutzungsausfall für die Zeit vom 9.1.2009 bis zum 20.8.2009 (222 Tage zu je 79 EUR) verlangt.
2 Aus den Gründen:
" … I. Dem Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung zu.
1. Ein bedingungsgemäßer Entschädigungsanspruch aus der Vollkaskoversicherung gem. Ziffer A.2.3 der AKB der Bekl. … besteht nicht. Der Anspruch des Kl. aus der Vollkaskoversicherung wegen Beschädigung seines Fahrzeugs umfasst nicht einen erlittenen Nutzungsausfall. Denn Nutzungsausfall ist von dem vereinbarten Leistungskatalog der Kasko-Versicherung in den Ziffern A.2.6 bis A.2.11 der AKB … nicht erfasst. Zur Klarstellung bringt die Klausel A.2.15.1 der AKB … dies nochmals zum Ausdruck (vgl. Stiefel/Maier/Meinecke, Kraftfahrtversicherung, 18. Aufl., A.2.13 Rn 1). Dem entspricht es, dass die Kaskoversicherung eine Sachversicherung ist und keine Vermögensschäden umfasst, die sich erst an eine Sachwertbeschädigung anschließen (Meinecke, a.a.O. Rn 8).
2. Dem Kl. steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung als Schadensersatzanspruch aus den §§ 280 ff. BGB zu.
a) Ein Schadensersatzanspruch wegen Verzuges nach § 286 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben.
aa) Allerdings hat sich die Bekl., anders als sie meint, in Verzug befunden. Nach Ziffer A.2.16.1 der AKB … tritt Verzug ein, wenn die Bekl. ihre Zahlungspflicht und die Höhe der Entschädigung festgestellt hat. Zum Zwecke dieser Feststellung hat die Bekl. das Gutachten ihres Sachverständigen W vom 9.1.2009 eingeholt, der einen Fahrzeugschaden von 14.542,97 EUR netto festgestellt hat. Nach Erhalt dieses Gutachtens haben keine weiteren Feststellungen der Bekl. zu Grund – der offenbar zu keinem Zeitpunkt im Streit war – und Höhe ihrer Zahlungspflicht geschwebt. Damit hatte die Bekl. ihre Zahlungspflicht in Höhe dieses Betrages festgestellt. Ihre zweitinstanzlich vertretene Auffassung, ohne Verschulden habe ihr Sachbearbeiter mit der Zahlung bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens warten dürfen, überzeugt schon deswegen nicht, weil die Bekl. die Zahlung des durch ihr eigenes Gutachten festgestellten Zahlbetrages nach eigenem erstinstanzlichen Vorbringen nur irrtümlich unterlassen hat und sie bis Mitte 2010 davon ausgegangen ist, prompt gezahlt zu haben …
Anders als die Bekl. meint, war Fälligkeitsvoraussetzung auch nicht etwa die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens nach Ziffer A.2.17 AKB 2008. Denn die Bekl. hat in den von ihr verwendeten, hier vereinbarten AKB … ein solches Sachverständigenverfahren als Fälligkeitsvoraussetzung nicht vereinbart. Vielmehr ist in Ziffer A.2.19 der AKB … dem Versicherungsnehmer das Recht eingeräumt worden, einen Sachverständigenausschuss über die Höhe des Schadens entscheiden zu lassen (“Bei Meinungsverschiedenheiten … können Sie einen Sachverständigenausschuss entscheiden lassen’ …). Damit ist eine von Ziffer A.2.17 AKB 2008 (“Bei Meinungsverschiedenheiten … entscheidet ein Sachverständigenausschuss’ …) inhaltlich abweichende Regelung getroffen; die Durchführung des Sachverständigenverfahrens ist nach den hier verwendeten AVB nicht Fälligkeitsvoraussetzung, sondern ein Recht des Versicherungsnehmers.
bb) Allerdings stellt der vom Kl. geltend gemachte Nutzungsausfall vorliegend keinen ersatzfähigen Verzugsschaden dar.
Nach der Rspr. des BGH kann der Verlust von Gebrauchsvorteilen eines Kfz einen nach den §§ 249 ff. BGB ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen. Voraussetzung hierfür ist neben einer fühlbaren Beeinträchtigung der Nutzung, die wiederum einen Nutzungswillen und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit voraussetzt, der Verlust der Gebrauchsmöglichkeit (vgl. Palandt/Grüneberg, 69. Aufl....