VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
Werden Räume einer Lagerhalle kurz nach einem frostbedingten Leitungswasserschaden weiterhin nur durch einen Heizlüfter beheizt und kommt es zu einem erneuten Leitungswasserschaden, liegt nahe, dass die durch den Versicherer vorgenommene Kürzung der Entschädigung um 50 % zu niedrig ist.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 15.12.2010 – 5 U 147/10
Sachverhalt
Die Kl. hat bei der Bekl. … einen Gebäudeversicherungsvertrag für eine Lagerhalle abgeschlossen.
Die Halle, deren Heizungsanlage bereits seit Jahren defekt ist, besteht aus zwei Teilen. Der linke Teil wird als Warenlager genutzt, im rechten Teil befindet sich ein abgeschlossener Sanitärraum mit Waschbecken und Toilette. Dort ist ein elektrischer Heizlüfter mit automatischer Frostschutzsteuerung und einer Leistung von 2 kW installiert. Am 8. oder 9.1.2009 platzte im linken Hallenteil nach längerem Frost ein unter dem Boden verlegtes Rohr.
Die Kälteperiode dauerte unvermindert an, und am 18.1.2009 platzte, wiederum frostbedingt, die Hauptwasserzuleitung in dem Sanitärraum des rechten Hallenteils. Die Bekl. ermittelte den Schaden und bezifferte ihn auf 22.286,80 EUR. Die Hälfte des Betrags zahlte sie an die Kl.
2 Aus den Gründen:
" … II.1. c. Die Bekl. hat zu Recht den am 18.1.2009 eingetretenen Leitungswasserschaden in der mit dem Gebäudeversicherungsvertrag versicherten Halle nur zu 50 % entschädigt.
(1) Die Kl. hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, und die Schwere ihres Verschuldens rechtfertigt – zumindest – die von der Bekl. vorgenommene hälftige Leistungskürzung gemäß § 81 Abs. 2 VVG …
(a) Die Kl. hat nicht durch positives Tun zum Eintritt des Versicherungsfalls beigetragen. Allerdings ist anerkannt, dass der Versicherungsnehmer, der nicht in ausreichendem Maße zur Gefahrvermeidung tätig wird, den Versicherungsfall auch durch Unterlassen herbeiführen kann (BGH VersR 2005, 218 … ). Das setzt voraus, dass er die Entwicklung und die drohende Verwirklichung der Gefahr zulässt, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz des versicherten Interesses in der Hand hat und bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange davon ebenso Gebrauch machen könnte und sollte wie eine nicht versicherte Person. Damit andererseits der Versicherungsschutz nicht unangemessen beschränkt wird, ist Voraussetzung der Gleichstellung des Unterlassens mit positivem Tun, dass der Versicherungsnehmer die Umstände gekannt hat, derentwegen der Eintritt des Versicherungsfalls in den Bereich der praktisch unmittelbar in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten gerückt ist (BGH VersR 1986, 962). Das war hier der Fall. Die Kl. wusste um die anhaltend niedrigen Temperaturen und sie hätte in dem Sanitärraum ohne weiteres für eine wirkungsvollere Beheizung sorgen können und sollen, um ein Einfrieren des Wassers in den Leitungen zu verhindern.
(b) Unter Kausalitätsgesichtspunkten ist für den Begriff des Herbeiführens i.S.d. § 81 VVG eine Mitursächlichkeit des Verhaltens des Versicherungsnehmers ausreichend (BGH VersR 1986, 962). Auch hiervon ist auszugehen. Dass die Wasserleitung frostbedingt geplatzt ist und dass dies auf der mangelhaften Beheizung des Raums beruhte, hat das LG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt.
Eine ordnungsgemäße Beheizung muss die Raumtemperatur auf ein Niveau bringen – und sie dort halten –, welches angesichts zu erwartender niedriger Außentemperaturen ein Einfrieren von Rohren zu vermeiden geeignet ist … An dem eingetretenen Schadensfall hat sich manifestiert, dass die von der Kl. gewählte Art der Beheizung bei einer länger andauernden Frostperiode die Verwirklichung des Risikos eines Rohrbruchs nicht hindern konnte. Unstreitig verfügte die versicherte Halle nicht über eine eigentliche Heizungsanlage. Die einzige Einrichtung, das Herabsinken der Temperaturen unter den Gefrierpunkt zu verhindern, war der im Sanitärraum angebrachte Wandheizlüfter. Dieser wiederum beheizte den Raum nicht kontinuierlich, sondern schaltete sich automatisch ein, wenn die Temperatur unter den Nullpunkt absank, und dann auch nur bis auf drei bis vier Grad Celsius … Ein bei Minustemperaturen anspringender kleiner Wandheizlüfter, der die Raumtemperatur auf drei bis vier Grad Celsius aufheizt und auch dies naturgemäß nur mit Blick auf die Umgebung der entsprechenden Messvorrichtung, kann ein Einfrieren von Wasser in Rohren des gesamten Raums nicht wirkungsvoll verhindern. Dies insbesondere auch deshalb, weil bei einer derart beschränkten Heizkapazität bereits ein kurzfristiger Ausfall des Anschaltautomatismus genügt, um die Temperatur zwischen zwei (unterstellten) Kontrollbesuchen durch eine von der Kl. beauftragte Person unter null Grad Celsius sinken zu lassen. Der Ehemann der Kl. hat angegeben, letztmals etwa drei oder vier Tage vor dem Schadensfall in dem Sanitärraum gewesen zu sein …
(c) Das Verhalten der Kl. erfüllte das von § 81 Abs. 2 VVG verlangte Verschuldensmaß der groben Fahrlässigkeit.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt, wer ein...