StPO § 358 Abs. 2 S. 1 i.V.m. OWiG § 79 Abs. 3
Leitsatz
1. Das Verschlechterungsverbot kommt bei Änderungen des Schuldspruchs nicht zur Anwendung.
2. Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 S. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG (hinsichtlich der Rechtsfolgen) gilt auch bei einem Urteil, durch das der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen Terminssäumnis des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen worden ist, für das weitere Verfahren nach der Einlegung der Rechtsbeschwerde und Aufhebung des Urteils.
3. Eine Erhöhung der Geldbuße mit Rücksicht auf den Wegfall des Fahrverbots scheidet aus, wenn die Anordnung eines Fahrverbots deshalb unterbleiben muss, weil es eines solchen wegen des langen Zeitablaufs zwischen der Tat und deren Ahndung zur erzieherischen Einwirkung auf den Betroffenen nicht mehr bedarf.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.8.2010 – 1(8) SsRs 382/09 – AK 100/09
Sachverhalt
Am 24.1.2007 erließ die Zentrale Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe in Bretten gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid i.H.v. 150 EUR und verhängte zugleich ein Fahrverbot von einem Monat, in welchem diesem vorgeworfen wurde, am 26.12.2006 um 07:45 Uhr auf der BAB A8 als Führer eines Pkw die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 53 km/h überschritten zu haben. Mit Beschl. v. 27.8.2007 (1 Ss 89/07) hob der Senat das auf den Einspruch des Betroffenen ergangene erste Urt. des AG vom 18.6.2007, durch welches der vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu der Geldbuße von 300 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt worden war, auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück. Auch das hierauf ergangene zweite Urt. des AG vom 13.11.2007, durch welches der Einspruch des nicht von seiner Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbundene Betroffene gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 24.1.2007 verworfen wurde, hob der Senat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit weiterem Beschl. v. 19.5.2008 (1 Ss 22/08) auf und verwies die Sache erneut zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das AG zurück. Am 5.6.2009 verurteilte dieses den Betroffenen nunmehr wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Geschwindigkeit zu einer Geldbuße von 250 EUR und sah von der Verhängung eines Fahrverbots ab.
Gegen dieses Urt. wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welchem er mit der Sachrüge eine Verletzung des Verschlechterungsverbots geltend macht und weiter vorträgt, die Verhängung einer Geldbuße sei nicht mehr angebracht, nachdem zwischen der Tat und dem letzten Urt. mehr als zweieinhalb Jahre vergangen seien.
Das OLG lässt die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. zu und verwirft sie mit der Maßgabe als unbegründet, dass die gegen den Betroffenen verhängte Geldbuße von 250 EUR auf 100 EUR reduziert wird.
2 Aus den Gründen:
" … II. Der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 OWiG) kann ein teilweiser Erfolg nicht versagt bleiben.
1. Soweit sich diese gegen den Schuldspruch wendet, ist sie allerdings nicht begründet. Die vom Senat insoweit durchgeführte Überprüfung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insb. ist die Verurteilung wegen vorsätzlicher anstatt fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht zu beanstanden, zumal das Verschlechterungsverbot bei Änderungen des Schuldspruchs nicht zur Anwendung kommt (Göhler, OWiG, 15. Aufl. 2009, § 79 Rn 37). Auch eine Einstellung des Verfahrens ist nicht veranlasst, da eine übermäßig lange Verfahrensdauer nur in Ausnahmefällen zu einer solchen führt und es im Normalfall ausreicht, dass der Tatrichter diesen Umstand – wie vorliegend geschehen (UA S. 5) – bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße berücksichtigt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.7.2003, 2 BvR 273/03, abgedr. bei juris; BayObLG, Beschl. v. 10.10.1996, 3 ObOWi 117/96, abgedr. bei juris). Dass der Abschluss des Verfahrens vorliegend in rechtsstaatswidriger und eine Einstellung des Verfahrens gebietender Weise verzögert worden wäre, ist weder aus den Urteilsgründen ersichtlich noch wird dies vom Rechtsbeschwerdeführer geltend gemacht, vielmehr hat die ungewöhnlich lange Dauer des Verfahrens von beinahe zweieinhalb Jahren zwischen dem Zeitpunkt der Tatbegehung und ihrer nunmehrigen Aburteilung durch das AG ihre Ursache maßgeblich darin, dass sich Rechtsmittel des Betroffenen als erfolgreich erwiesen haben und deshalb neue Hauptverhandlungen durchgeführt werden mussten.
2. Jedoch hat der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand, weil das AG den Grundsatz der reformatio in peius nicht hinreichend bedacht hat.
a) Soweit der Tatrichter die Erhöhung der im Bußgeldbescheid verhängten Regelgeldbuße von 150 EUR auf 250 EUR darauf gestützt hat, dass der Betroffene ...