1. Oft führt die Heilbehandlung des bei einem Verkehrsunfall Verletzten nicht zur vollständigen Behebung unfallbedingter Nachteile. Die nicht mehr behebbaren Verletzungen des Geschädigten haben dauernde negative Auswirkungen auf die private Lebensführung und die berufliche Tätigkeit des Verletzten und auf die mit dem Verletzten in Kontakt stehenden Personen (vgl. Höfle, in: Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltverein, Homburger Tage 1995, S. 29; Baltzer, VersR 1976, 1 ff.). Da § 249 BGB vorgibt, alle aus dem schädigenden Ereignis herrührenden nachteiligen Folgen auszugleichen, formt § 843 BGB (ebenso § 11 StVG) den Anspruch auf Ausgleichung dieser Bedürfnisse aus (vgl. BGH VersR 1958, 454; BGH VersR 1982, 238; BGH NJW-RR 1992, 791; Höfle, a.a.O. S. 29, 30). Die Bedeutung dieses Anspruchs wie die finanzielle Dimension dieses Anspruchs macht die nicht vollständige Aufzählung der wichtigsten Anwendungsbereiche nach einem Verkehrsunfall deutlich (zu den Fallgruppen im Einzelnen vgl. Höfle, a.a.O. S. 29, 35-52; Fleischmann/Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 2 Verkehrszivilrecht, 5. Aufl., § 9 Rn 372-430):
(1) Pflege und Betreuung des durch den Unfall hilflos gewordenen Verletzten. Hilflosigkeit ist dann gegeben, wenn der Verletzte zu den Vernichtungen des täglichen Lebens wie An- und Auskleiden, Waschen, Rasieren, Kämmen, Essen und Trinken und Wundversorgung nicht mehr imstande ist, damit andere Personen hierfür in Anspruch nehmen muss (vgl. BGH VersR 1978, 149; Höfle, a.a.O. S. 29, 35; Dress, VersR 1988, 784 f.).
(2) Beeinträchtigung in der Haushaltsführung (Höfle, a.a.O., S. 29, 39 f.).
(3) Unterbliebene Eigenleistung für ein Bauvorhaben (vgl. BGH NJW 1989, 2539; OLG Zweibrücken zfs 1995, 413).
(4) Mehrkosten für die Anschaffung eines Kfz (vgl. BGH VersR 1970, 899; BGH NJW-RR 1992, 792; OLG Celle VersR 1975, 1103 f.; Höfle, a.a.O. S. 29, 46 f.).
(5) Verstärkter Kleider- und Wäscheverschleiß sowie Mehrkosten für orthopädisches Schuhwerk (BGH NJW-RR 1992, 792; BGH VersR 1972, 940, 942; OLG Köln r+s 1989, 400; Höfle, a.a.O. S. 29, 47).
(6) Prämienzuschläge in der Lebensversicherung, die wegen der Unfallverletzung erhoben werden (OLG Zweibrücken zfs 1995, 413; Höfle, a.a.O.).
2. Da die Anschaffung eines Rollstuhlzuggerätes nach den Feststellungen des Sachverständigen ein medizinisch gebotenes Mittel zum Ausgleich der nach der durchgeführten Heilbehandlung verbliebenen Körper- und Gesundheitsdefizite war, war deren Ersatzfähigkeit unter dem Blickwinkel der vermehrten Bedürfnisse zu bejahen. Dass die Ersatzleistung nach § 843 BGB im Regelfall in Rentenform zu erfolgen hat (vgl. BGH VersR 1960, 810; BGH VersR 1982, 238, 240), steht dem Anspruch auf Ersatz der einmalig getroffenen Aufwendung nicht entgegen, da durch die Anschaffung ein Bedarf mit Wirkung für die Zukunft gedeckt wurde, sodass eine Ausnahme von dem grds. in Rentenform auszugleichenden Ersatzanspruch wegen vermehrten Bedürfnisses anzunehmen ist (vgl. auch BGH VersR 1962, 238; OLG Stuttgart VersR 1998, 366). Es liegt auf der Hand, dass der aktuelle Mehrbedarf allein durch die Zuwendung des zur Deckung erforderlichen Kapitalbetrages ausgeglichen werden kann.
3. Was die Erstattungsfähigkeit der Kosten der reproduktionsmedizinischen Behandlung betrifft, gehen die Entscheidungen mit Recht davon aus, dass die für das gesetzliche Krankenversicherungsrecht geltende Bestimmung des § 27a SGB V die Ersatzfähigkeit nicht ausschließt. Zwar trifft es zu, dass § 27a SGB V nach den Entscheidungen des BVerfG sowohl in verfassungsrechtlich gebilligter Weise die Beschränkung der Erstattungspflicht für die Kosten einer reproduktionsmedizinischen Behandlung auf verheiratete Paare beschränkt hat (vgl. BVerfG NJW 2007, 1343) und darüber hinaus auch die Beschränkung der Eintrittspflicht der GKV auf 50 % der Behandlungskosten nicht beanstandet hat (vgl. BVerfG NJW 2009, 1733; Huster, NJW 2009, 1713). Eine Übertragung dieser Restriktionen auf den Schadensersatzanspruch des Kl. verbietet sich schon deshalb, weil § 27a SGB V nicht eine Regelung für eine Heilbehandlung trifft, sondern einen eigenständigen Versicherungsfall geschaffen hat, da die Kinderlosigkeit keine Krankheit darstellt (vgl. auch BGH VersR 1987, 279; Bonvie/Naujoks, MedR 2006, 267, 269). Da die reproduktionsmedizinische Behandlung nach einem zur Zeugungsunfähigkeit führenden Unfall Heilbehandlung ist, lassen sich die Einschränkung des für das Sozialversicherungsrecht geltenden Krankenkassenrechts nicht hierauf übertragen.
Dass die Ursache der unfallbedingt entstanden gestörten Körperfunktion durch die reproduktionsmedizinische Heilbehandlung nicht beseitigt, sondern allenfalls gelindert werden kann, schließt die Erstattungsfähigkeit der Kosten dieser Maßnahme nicht aus (vgl. auch BGH VersR 2010, 1485). Dass bei der In-vitro-Fertilisation mit einer notwendigen Mitbehandlung der Lebensgefährtin des Kl. für diese notwendige – weitere – Kosten entstehen werden, schließt dere...