"… Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet."

A. Das LG hat der Kl. allerdings mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, einen Anspruch auf Rechtsschutz für den über den Lebensversicherungsvertrag 5631 … geführten Rechtsstreit versagt. Der streitauslösende erste und damit maßgebliche Verstoß (§ 4 Abs. 2 S. 2 ARB) für diesen Versicherungsfall war die Antragstellung v. 19.2.2001. Dieser liegt innerhalb des Jahres vor dem materiellen Versicherungsbeginn der Rechtsschutzversicherung am 1.3.2001.

Soweit die Kl. meint, eine nach § 19 VVG (§§ 16, 17 VVG a.F.) zu beurteilende falsche oder unvollständige Anzeige stelle keinen “Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften' i.S.v. § 4 Abs. 1c ARB dar, kann dem nicht gefolgt werden. Insb. ist der Hinweis darauf, dass das Gesetz hier nur Obliegenheiten statuiere, unbehelflich. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an … Der durchschnittliche VN wird erkennen, wenn sich die Bedingungen der Begrifflichkeit der Rechtssprache bedienen. Er wird, wenn Hinweise auf einen abweichenden Willen nicht ersichtlich sind, davon ausgehen, dass der VR sich mit seinem Regelwerk diese Begrifflichkeit zu eigen macht. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kommt somit nur dann in Betracht, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt … Das Gesetz spricht sowohl in § 19 VVG als auch in § 16 VVG a.F. von Anzeigepflicht. Der durchschnittliche VN wird daher einen Verstoß hiergegen zwangslos als “Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften' verstehen (so im Ergebnis: KG zfs 1983, 306 … ).

B. Dagegen kann die Kl. Deckungsschutz für den die erste Versicherung (5559833) aufgrund Antrags v. 14.10.1999 betreffenden Teil des Rechtstreits mit dem Lebens-VR verlangen. Entgegen der Annahme des LG beruht dieser Streit nicht (auch) auf den Umständen des Antrags v. 19.2.2001 für die zweite Versicherung. Es handelt sich somit i.S.d. zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherung nicht um einen, sondern um zwei Versicherungsfälle. Die Verfahren hätten unabhängig voneinander geführt werden können.

1. Anspruch auf Rechtsschutz besteht gem. § 4 Abs. 1 S. 1c) ARB von dem Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Voraussetzung ist, dass das Ereignis nach Beginn und vor Ende des Versicherungsschutzes eintritt (§ 4 Abs. 1 S. 2 ARB). Ein Verstoß i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1c) ARB ist jedes Verhalten, das objektiv nicht mit Rechtsvorschriften oder Rechtspflichten im Einklang steht und das den “Keim eines Rechtskonflikts' (BGH VersR 2005, 1684; VersR 2007, 535) in sich trägt. Bei Versicherungsstreitigkeiten kommt für einen Versicherungsfall in diesem Sinne als streitauslösender Verstoß die Verletzung von Pflichten aus dem Versicherungsvertrag durch eine der Vertragsparteien in Betracht (BGH VersR 2005, 1685 Rn 20 m.w.N.). Der – angeblich unter Verletzung der Anzeigepflicht eingereichte – Antrag v. 14.10.1999 ist als streitauslösender Verstoß Rechtsschutzfall i.S.d. § 4 Abs. 1c ARB. Dieser fällt allerdings nicht in den versicherten Zeitraum.

2. Die rechtliche Auseinandersetzung um die erste Berufsunfähigkeitsversicherung beruht allerdings auf einem weiteren Rechtsschutzfall, nämlich auf der – nach Darstellung der Kl. – unberechtigten Weigerung des Lebens-VR, Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu erbringen. Diese Weigerung ist ein – behaupteter – Verstoß gegen Rechtspflichten und erlangt damit im Rahmen des § 4 Abs. 2 S. 2 ARB Bedeutung. Soweit gelegentlich die Ansicht vertreten wird, die Klausel beziehe sich nur auf mehrere “rechtlich selbständige' Verstöße (OLG Saarbrücken VersR 2000, 1536; OLG Celle NJW-RR 2009, 38, 40 … ), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Dieses Verständnis erschließt sich einem durchschnittlichen VN nicht. Dieser liest, dass die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen in Zusammenhang mit einem bestimmten Lebenssachverhalt auf “mehreren Rechtsschutzfällen' beruhen kann, wobei dann der erste maßgebend sein soll, wenn er nicht länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegt; nichts aber von einer Einschränkung dahin, dass es sich um mehrere vollständig voneinander unabhängige Verstöße handeln soll. Ihm wird gerade nicht nahe gebracht, dass der für ihn eigentliche klassische Rechtsschutzfall der unberechtigten Leistungsverweigerung des Vertragspartners dann keiner sein soll, wenn die Weigerung mit einem angeblichen Verstoß seinerseits begründet wird. Die – behauptet unberechtigte – Ablehnung einer vertraglich versprochenen Lei...

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