ARB 2000 § 4
Leitsatz
Die behauptet unberechtigte Leistungsverweigerung eines VR ist ein Verstoß i.S.v. § 4 Abs. 1c ARB 2000, auch wenn die Leistungsverweigerung damit begründet wird, dass der VN bei Abschluss des Versicherungsvertrags seine Anzeigepflicht verletzt hat.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.12.2011 – 12 U 122/11
Sachverhalt
Zwischen Kl. und Bekl. bestand ab 1.3.2001 eine Rechtsschutzversicherung für Nichtselbständige. auf der Grundlage der ARB 2000.
Die Kl. hatte noch vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung zwei Risikolebensversicherungen einschließlich Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen. Die erste Versicherung (5559833) wurde aufgrund Antrags der Kl. v. 14.10.1999 abgeschlossen; die zweite (5631379) aufgrund eines weiteren Antrags v. 19.2.2001. Obwohl die Kl. damals unter der Hauterkrankung "lupus erythematodes" litt, war in beiden Versicherungsanträgen bei den Gesundheitsfragen vermerkt, es bestünden keine Vorerkrankungen. Als die Kl. im Jahr 2004 Leistungen aus den Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen forderte, lehnte der VR dies mit Schreiben v. 19.3.2004 mit der Begründung ab, die Kl. habe ihre vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt, und erklärte die Anfechtung der BUZ-Verträge.
Das LG hat die auf Deckungsschutz gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der gem. § 4 Abs. 1c) ARB 2000 maßgebliche Verstoß gegen Rechtsvorschriften liege vorliegend in der – behaupteten – Nichtangabe der Hauterkrankung bei der Antragstellung beider Lebensversicherungen und somit in vorvertraglicher Zeit. Auch die Regelung des § 4 Abs. 2 S. 2 ARB führe zu keinem anderen Ergebnis. Es handele sich um einen einheitlichen Rechtsschutzfall. Zwar habe der Verstoß von 1999 außer Betracht zu bleiben. Der Verstoß durch die – behaupteten – Fachangaben im Antrag von 2001 liege jedoch innerhalb der Jahresfrist.
2 Aus den Gründen:
"… Die zulässige Berufung ist zum Teil begründet."
A. Das LG hat der Kl. allerdings mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, einen Anspruch auf Rechtsschutz für den über den Lebensversicherungsvertrag 5631 … geführten Rechtsstreit versagt. Der streitauslösende erste und damit maßgebliche Verstoß (§ 4 Abs. 2 S. 2 ARB) für diesen Versicherungsfall war die Antragstellung v. 19.2.2001. Dieser liegt innerhalb des Jahres vor dem materiellen Versicherungsbeginn der Rechtsschutzversicherung am 1.3.2001.
Soweit die Kl. meint, eine nach § 19 VVG (§§ 16, 17 VVG a.F.) zu beurteilende falsche oder unvollständige Anzeige stelle keinen “Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften' i.S.v. § 4 Abs. 1c ARB dar, kann dem nicht gefolgt werden. Insb. ist der Hinweis darauf, dass das Gesetz hier nur Obliegenheiten statuiere, unbehelflich. AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und in Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs sie verstehen muss. Es kommt auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an … Der durchschnittliche VN wird erkennen, wenn sich die Bedingungen der Begrifflichkeit der Rechtssprache bedienen. Er wird, wenn Hinweise auf einen abweichenden Willen nicht ersichtlich sind, davon ausgehen, dass der VR sich mit seinem Regelwerk diese Begrifflichkeit zu eigen macht. Ein von der Rechtssprache abweichendes Verständnis kommt somit nur dann in Betracht, wenn das allgemeine Sprachverständnis von der Rechtssprache in einem Randbereich deutlich abweicht oder wenn der Sinnzusammenhang der Versicherungsbedingungen etwas anderes ergibt … Das Gesetz spricht sowohl in § 19 VVG als auch in § 16 VVG a.F. von Anzeigepflicht. Der durchschnittliche VN wird daher einen Verstoß hiergegen zwangslos als “Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften' verstehen (so im Ergebnis: KG zfs 1983, 306 … ).
B. Dagegen kann die Kl. Deckungsschutz für den die erste Versicherung (5559833) aufgrund Antrags v. 14.10.1999 betreffenden Teil des Rechtstreits mit dem Lebens-VR verlangen. Entgegen der Annahme des LG beruht dieser Streit nicht (auch) auf den Umständen des Antrags v. 19.2.2001 für die zweite Versicherung. Es handelt sich somit i.S.d. zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherung nicht um einen, sondern um zwei Versicherungsfälle. Die Verfahren hätten unabhängig voneinander geführt werden können.
1. Anspruch auf Rechtsschutz besteht gem. § 4 Abs. 1 S. 1c) ARB von dem Zeitpunkt an, in dem der VN oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Voraussetzung ist, dass das Ereignis nach Beginn und vor Ende des Versicherungsschutzes eintritt (§ 4 Abs. 1 S. 2 ARB). Ein Verstoß i.S.d. § 4 Abs. 1 S. 1c) ARB ist jedes Verhalten, das objektiv nicht mit Rechtsvorschriften oder Rechtspflichten im Einklang steht und das den “Keim eines Rechtskonflikts' (BGH VersR 2005, 1684; VersR 2007, 535) in sich trägt. Bei Versicherungsstreitigkeiten kommt für einen Versicherungsfall in diesem Sin...