BGB § 832 § 839
Leitsatz
Beschädigen in einer Kindertagesstätte untergebrachte Kinder Eigentum Dritter, so kommt dem Geschädigten, der gegen eine Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte wegen Verletzung der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte obliegenden Aufsichtspflichten Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG geltend macht, die Beweislastregel des § 832 BGB zugute (Aufgabe des Senatsurt. v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, BGHZ 13, 25).
BGH, Urt. v. 13.12.2012 – III ZR 226/12
Sachverhalt
Der Kl. hat die beklagte Stadt als Trägerin einer Kindertagesstätte wegen Lackschäden an seinem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Der Kl. parkte sein Fahrzeug im Eingangsbereich eines Schulgebäudes, in dem er als Inhaber eines Sanitärunternehmens einen Wasserschaden beseitigte. In dem Schulgebäude befand sich auch eine Kindertagesstätte, deren 20 × 25 Meter großer Außenbereich mit einem Gittermattenzaun aus Metall eingezäunt ist. Am Schadenstag war eine aus acht Kindern bestehende Gruppe der Tagesstätte unter der Leitung einer Erzieherin mit Gartenarbeiten beschäftigt. Drei Kinder entfernten sich und warfen mehrere Kieselsteine auf das Fahrzeug des Kl., das etwa zwei Meter von dem Außenbereich der Tagesstätte entfernt parkte. Der Kl. hat die beklagte Stadt für die an seinem Pkw in Folge der geworfenen Kieselsteine entstandenen Schäden für haftbar gehalten, da eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Erzieherinnen vorliege. Das BG hat das klageabweisende Urteil des LG teilweise abgeändert und die beklagte Stadt unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung von ca. 1.100 EUR verurteilt. Die Revision der Bekl. hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
“… 1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das BG davon ausgegangen, dass die Erzieherinnen der in öffentlicher Trägerschaft stehenden Kindertagesstätte in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig waren und sich die Haftung der beklagten Stadt daher nach Amtshaftungsgrundsätzen gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG beurteilt. Dies wird von der Revision auch nicht in Frage gestellt.
2. Zutreffend hat das BG des Weiteren den Umfang und den Inhalt der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte – auch zum Schutz Dritter (vgl. Senat, Urt. v. 15.3.1954 – III ZR 333/52, BGHZ 13, 25, 26 zur Aufsichtspflicht beamteter Lehrer; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 710; Staudinger/Belling [2012], BGB, § 832 Rn 24) – obliegenden Aufsichtspflicht bestimmt. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls, insb. Alter, Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen, das örtliche Umfeld, das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie die Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahme für den Aufsichtspflichtigen (BGH, Urt. v. 10.7.1984 – VI ZR 273/82, NJW 1984, 2574, 2575; v. 7.7.1987 – VI ZR 176/86, NJW-RR 1987, 1430, 1431 und v. 24.3.2009 – VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 Rn 8 … ). Danach waren vorliegend die Kleinkinder der von der Zeugin K. betreuten Gruppe zwar nicht “auf Schritt und Tritt', aber doch in kurzen Abständen regelmäßig zu kontrollieren (vgl. BGH, Urt. v. 24.3.2009 – VI ZR 51/08, VersR 2009, 788, 789 m.w.N.; OLG Köln, MDR 1999, 997 f.; OLG Düsseldorf a.a.O. S. 711). Dies gilt auch deshalb, weil es aufgrund der Lage des Außengeländes der Tagesstätte und der konkreten Tätigkeit der Kinder dieser Gruppe (Gartenarbeiten unter Zuhilfenahme von Gartengeräten) nicht ausgeschlossen erschien, dass die Kinder selbst oder Dritte in Folge kindlichen Spiels und gruppendynamischer Prozesse gefährdet werden konnten.
Gegen das auf diese Weise bestimmte Maß der Aufsicht erhebt auch die Revision keine Einwände.
3. a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung des BG, es bleibe letztlich ungeklärt, ob und inwieweit die für die Kinderbetreuung auf dem Freigelände der Kindertagesstätte verantwortlichen Erzieherinnen, namentlich die Zeugin K., ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen seien.
Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grds. Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das BG die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat, Urt. v. 19.6.2008 – III ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484 Rn 22 und v. 5.11.2009 – III ZR 6/09, NJW 2010, 1456 Rn 8, jeweils m.w.N.).
Bei Anwendung dieses revisionsrechtlichen Maßstabes bestehen gegen die Würdigung des BG, nach dem vom LG gefundenen Beweisergebnis verblieben zumindest Restzweifel, ob die Erzieherinnen ihrer Aufsic...