FeV Anlage 4 Nr. 9.2.1, Nr. 9.2.2
Leitsatz
Es spricht einiges dafür, dass die regelmäßige Einnahme des cannabishaltigen Medikaments Dronabinol zu Therapiezwecken ähnlich wie etwa die Methadonsubstitution in Ausnahmefällen eine Sonderbehandlung rechtfertigen kann und mithin ggf. trotz regelmäßigem Cannabiskonsum eine positive Beurteilung der Fahreignung im Einzelfall möglich ist. Eine Fahreignung setzt in diesen Fällen, da der Cannabiswirkstoff Dronabinol (THC) dosisabhängig die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen kann, jedenfalls voraus, dass hinreichend sichergestellt ist, dass nicht etwa fehlendes Trennungsvermögen hinzukommt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.1.2013 – 12 ME 289/12 (rechtskräftig)
Sachverhalt
Der ASt. begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Die AG forderte ihn unter dem 30.3.2012 wegen Bedenken gegen seine Fahreignung zur Vorlage eines Gutachtens einer Begutachtungsstelle für Fahreignung oder eines rechtsmedizinischen Instituts auf. Dem lag zugrunde, dass eine dem ASt. am 17.2.2012 entnommene Blutprobe den Nachweis von 2,0 ng/ml THC und 14,1 ng/ml THC-COOH im Serum erbracht hatte und die AG annahm, der ASt. habe an diesem Tag ein Kfz unter dem Einfluss von Cannabis geführt. Wegen dieses Sachverhalts wurde im Folgenden auch ein Bußgeldbescheid gegen den ASt. verhängt, der rechtskräftig geworden ist.
Im Rahmen der ärztlichen Untersuchung am 5.4.2012 bei dem Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gab der ASt. an, lediglich einmalig Ende Januar 2012 Cannabis konsumiert zu haben. Bei der Urinuntersuchung wurde ein THC-COOH-Wert von 5,6 ng/ml festgestellt und das Gutachten kam zu dem Schluss, dass die Angaben des ASt. bei der Befragung unter Berücksichtigung der Befunde der damaligen Blutuntersuchung nicht plausibel seien.
Mit Bescheid v. 13.8.2012 entzog die AG dem ASt. nach dessen Anhörung die Fahrerlaubnis und ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme an. Der ASt. sei als gelegentlicher Cannabiskonsument einzustufen und zeige fehlendes Trennungsvermögen bezüglich Konsum und Führen eines Kfz. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen über die Verordnung des Cannabiswirkstoffs Dronabinol (THC) änderten daran nichts.
Das VG hat den Antrag des ASt., ihm vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren … abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
“… Die gegen den Beschl. des VG erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Senat geht mit dem VG jedenfalls im vorliegenden gerichtlichen Eilverfahren, das auf eine nur summarische Prüfung des Sachverhalts angelegt ist, davon aus, dass der ASt. gelegentlicher Konsument von Cannabis und aufgrund der fehlenden Trennung von Konsum und Fahren ungeeignet zum Führen von Kfz ist (vgl. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV).
Der ASt. räumt (mittlerweile) ein, gelegentlich Cannabis zu konsumieren: Er macht geltend, bei ihm liege jedoch entgegen der Annahme des VG kein Drogenproblem, sondern ein medizinisches Problem vor. Cannabis werde bei ihm zu Therapiezwecken bezüglich der Folgen der Hepatitis C und der Interferonbehandlung eingesetzt. Er verweist insoweit weiter auf die Stellungnahmen des Dr. X. v. 23.8.2012 und des Dr. Y. v. 18.6.2012. Darüber hinaus sei keineswegs abschließend festgestellt, dass er unter Drogeneinfluss einen Pkw geführt habe.
Diese zur Begründung des Rechtsmittels dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die Entscheidung des VG zu ändern.
Zur Frage des fehlenden Trennungsvermögens hat das VG ausgeführt:
“Derzeit spricht ebenfalls Überwiegendes dafür, dass der ASt. nicht zwischen Konsum und Fahren trennt, da er am 17.2.2012 mit seinem Pkw unter dem Einfluss von Cannabis gefahren sein dürfte. Sein diesbezüglicher Vortrag, nicht er selbst, sondern eine Bekannte sei gefahren, erscheint dem Gericht unglaubwürdig, … sodass das Gericht zurzeit ebenso wie die AG davon ausgeht, dass es sich bei dem Vortrag des ASt. um eine reine Schutzbehauptung handelt und er am 17.2.2012 selbst mit seinem Wagen zur Schule gefahren ist. Diese Einschätzung wird schließlich gestützt durch den rechtskräftigen Bußgeldbescheid und den Umstand, dass der ASt. auch das geforderte ärztliche Gutachten erbracht hat.'
Allein der Umstand, dass der ASt. – weiterhin ohne nähere Substantiierung – darauf verweist, seine Bekannte B. sei gefahren, ist nicht geeignet, diese überzeugenden Darlegungen des VG in Zweifel zu ziehen. Mithin ist von fehlendem Trennungsvermögen auszugehen.
Der Hinweis des ASt. auf seine Erkrankungen überzeugt nicht. Allein der Umstand, dass dem ASt. offenbar nach der Fahrt und dem ärztlichen Gutachten der MHH der Cannabiswirkstoff Dronabinol (THC) ärztlich verschrieben worden ist, reicht nicht aus, die zuvor offenbar ohne ärztliche Kontrolle und damit missbräuchliche Einnahme von Cannabis zu “legalisieren'.
Selbst wenn man zugunsten des ASt. annähme, die Bescheinigungen beträfen auch den damaligen...