VVG § 178 Abs. 2 S. 2; MB/KK 2009 § 13 Abs. 10
Leitsatz
1. Unter Geltung des § 207 Abs. 2 S. 2 VVG hat der VN ebenso wie nach der früheren Regelung des § 178n Abs. 2 S. 2 VVG den Nachweis zu erbringen, dass die versicherte Person von der Kündigung Kenntnis erlangt hat. Damit übereinstimmende Bestimmungen in AVB benachteiligen den VN nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
2. Der VR ist nach Treu und Glauben verpflichtet, den VN darauf hinzuweisen, dass eine von diesem erklärte Kündigung mangels Nachweises der Kenntnis der versicherten Person unwirksam ist.
BGH, Urt. v. 16.1.2013 – IV ZR 94/11
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl. auf Prämienzahlung für eine Krankheitskostenversicherung in Anspruch. Diese hatte die Bekl. im Jahr 2005 zugunsten ihrer im November 1989 und im August 1991 geborenen Töchter abgeschlossen.
Mit Schreiben v. 11.3.2009 übersandte die Bekl. der Kl. eine Bestätigung einer gesetzlichen Krankenkasse, wonach ihre Töchter dort mit Wirkung v. 1.3.2009 gesetzlich versichert waren, und bat um "sofortige Auflösung der privaten Krankenversicherung". AG und LG haben der Klage auf Zahlung rückständiger Prämien nach dem 1.3.2009 stattgegeben.
Die Kl. hält die Kündigung des Krankenversicherungsvertrags für unwirksam, weil die Bekl. nicht gem. § 13 Abs. 10 S. 3 AVB/KK nachgewiesen habe, dass ihre Töchter von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hätten.
2 Aus den Gründen:
[13]“ … 1. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des BG, die Bekl. hätte nach § 13 Abs. 10 S. 3 AVB/KK 2009 gegenüber der Kl. spätestens zum Ablauf der Kündigungsfrist nachweisen müssen, dass ihre beiden versicherten Töchter von der Kündigungserklärung Kenntnis erlangt hatten.
[14] a) Diese Klausel ist entgegen der Auffassung der Revision nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB.
[15] aa) Überraschend ist eine Klausel nur, wenn sie eine Regelung enthält, die von den Erwartungen des typischerweise damit konfrontierten VN in einer Art und Weise deutlich abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht …. Der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel und ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle können die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BGH NJW-RR 2012, 1261 Rn 10; NJW 2010, 3152 Rn 27; jeweils m.w.N.). Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, an welcher Stelle des Klauselwerks die entsprechende Klausel steht, weil alle Bestimmungen grundsätzlich gleich bedeutsam sind und nicht durch die Platzierung einer Vorschrift im Klauselwerk auf deren Bedeutung geschlossen werden kann. Aus der Stellung der Klausel kann sich ein Überraschungseffekt vielmehr dann ergeben, wenn diese in einem systematischen Zusammenhang steht, in dem der Vertragspartner sie nicht zu erwarten braucht …. Das kann der Fall sein, wenn sie im Vertragstext falsch eingeordnet und dadurch geradezu “versteckt' ist (Senat VersR 2011, 1257).
[16] bb) Die streitgegenständliche Klausel ist nicht an einer Stelle untergebracht, an der ein betroffener VN sie nicht erwartet. Die Bekl. rügt ohne Erfolg, die eigentlichen Kündigungsvoraussetzungen seien in § 13 Abs. 1 bis 5 AVB/KK geregelt, während die fragliche Nachweisverpflichtung inmitten reiner Abwicklungsvorschriften nach wirksamer Kündigung versteckt sei. § 13 Abs. 10 AVB/KK erfasst anders als die vorhergehenden Absätze nicht sämtliche Versicherungsverhältnisse, sondern betrifft den Sonderfall, dass der VN das Versicherungsverhältnis nicht für sich, sondern für andere versicherte Personen kündigt. Angesichts dieser Besonderheit erscheint es eher sachgerecht, die betreffenden Regelungen an den Schluss des § 13 AVB/KK zu setzen. Zudem kann von einem durchschnittlichen VN erwartet werden, dass er die gesamten das Versicherungsende durch Kündigung des VN betreffenden Bestimmungen zur Kenntnis nimmt und auf besondere Voraussetzungen achtet, die zu erfüllen sind, wenn ein Versicherungsvertrag für andere versicherte Personen gekündigt wird.
[17] b) Die Regelung in § 13 Abs. 10 S. 3 AVB/KK ist nicht unklar i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB.
[18] aa) Die Unklarheitenregel kommt nur zur Anwendung, wenn nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmethoden Zweifel verbleiben und mindestens zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind ….
[19] bb) Die in Rede stehende Klausel kann aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen VN nicht – wie aber die Revision meint – auch so verstanden werden, dass es sich bei dem verlangten Nachweis um eine auf den Kündigungszeitpunkt rückwirkende Bedingung handelt, die auch nachträglich noch erfüllt werden kann. Ob der notwendige Nachweis der Kenntnis der versicherten Person bis zum Wirksamwerden der Kündigung oder bei fristgebundenen Kündigungen nur bis zum Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist erbracht werden kann, war schon zu § 178n Abs. 2 S. 2 VVG a.F. streitig und wird auch zu § 207 Abs. 2 S. 2 VVG unterschiedlich gesehen (vgl. einerseits Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 178n Rn 11; Voit in Prölss/Martin, VVG 28. ...