InsO § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 § 55 Abs. 2
Leitsatz
Ordnet das Gericht als Sicherungsmaßnahme an, dass ein der Aussonderung unterliegender Gegenstand von dem Berechtigten nicht herausverlangt werden darf, steht dem Aussonderungsberechtigten gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter wegen eines durch Nutzung oder Beschädigung eingetretenen Wertverlusts ein Ersatzanspruch zu. Nach Verfahrenseröffnung gilt der Anspruch als Masseverbindlichkeit.
BGH, Urt. v. 8.3.2012 – IX ZR 78/11
Sachverhalt
Die klagende Vermieterin hatte Lkw an die spätere Schuldnerin im Rahmen eines Mietvertrags zur Nutzung überlassen. Das Insolvenzgericht hat durch Beschluss u.a. angeordnet, dass bewegliche Gegenstände, an denen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Aussonderungsrechte bestehen, von den Gläubigern nicht verwertet oder eingezogen, sondern von dem vorläufigen Insolvenzverwalter zur Fortführung des Unternehmens des Insolvenzschuldners eingesetzt werden dürfen. Am 1.4.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und der Bekl. zum Insolvenzverwalter ernannt. Der Bekl. nutzte die von der Kl. an die Schuldnerin vermieteten Fahrzeuge bis zum 31.7.2009. Das LG hat Ansprüche auf Nutzungsentgelt für den Zeitraum vom 19.2.2009 bis zum 31.3.2009 für unbegründet erachtet und der Klage lediglich für den Nutzungszeitraum vom 1.4.2009 bis zum 31.7.2009 stattgegeben. Auf die Berufung der Kl. hat das BG auf die zugesprochene Klageforderung weitere Zinsen zuerkannt und die weitergehende Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, soweit die Kl. die Zahlung des eines Ausgleichs für den an den Fahrzeugen in der Zeit vom 19.2.2009 bis zum 31.3.2009 durch die Nutzung und den Wertverlust aufgrund der dabei eingetretenen Schäden verlangt. Die Revision der Bekl. verfolgt die Abweisung der dem Grunde nach zuerkannten Klageforderung. Die Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[8]“ … Der Kl. steht wegen der Nutzung der von ihr an die Schuldnerin vermieteten Lkw gem. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 3 InsO dem Grunde nach ein Wertersatzanspruch gegen den Bekl. zu.
[9] 1. Die Kl. war als Vermieterin der von der Schuldnerin genutzten Kfz nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Inhaberin eines Aussonderungsrechts (§ 47 InsO). Die Mietgegenstände wären nicht in die Insolvenzmasse gefallen (vgl. BGH, Urt. v. 3.12.2009 – IX ZR 7/09, BGHZ 183, 269 Rn 16).
[10] 2. Die von dem AG gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO gegenüber der Kl. als Vermieterin getroffene Anordnung war zwar – entgegen der Auffassung des BG – unwirksam, weil es sich dabei um eine formularmäßige Pauschalanordnung handelt, die unter bloßer Wiedergabe des Gesetzestextes auf die erforderliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen verzichtet (BGH, a.a.O., Rn 16 ff.). Da die Anordnung von der Kl. aber nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden konnte, darf sie sich ihrerseits darauf stützen, soweit sie – wie vorliegend – Ausgleichsansprüche begehrt (BGH, a.a.O. Rn 24 f.).
[11] 3. Eine Nutzungsausfallentschädigung in Form von Zinsen i.S.d. § 169 S. 2 InsO kann der Aussonderungsberechtigte gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 2, § 169 S. 2 InsO für einen Zeitraum verlangen, der drei Monate nach dieser Anordnung liegt (BGH, a.a.O., Rn 28 ff.). Wegen der am 19.2.2009 ergangenen Anordnung scheiden in Übereinstimmung mit der Würdigung des BG Ansprüche der Kl. auf eine Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum bis zur Verfahrenseröffnung am 1.4.2009 aus.
[12] III. Jedoch kann die Kl. von dem Bekl. gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 3 InsO Ersatz des während dieses Zeitraums durch die Nutzung der Fahrzeuge eingetretenen Wertverlusts beanspruchen.
[13] 1. Zwar mag die Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 InsO gesetzestechnisch und sprachlich misslungen sein (Ganter, NZI 2007, 549, 553). Gleichwohl ist § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 3 InsO eindeutig zu entnehmen, dass sowohl Absonderungsberechtigten als auch Aussonderungsberechtigten ein Anspruch auf Wertersatz zusteht.
[14] a) Das Gericht kann gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 1 InsO anordnen, dass Gegenstände, deren Aussonderung verlangt werden könnte, vom Gläubiger nicht eingezogen werden dürfen und diese Gegenstände zur Fortführung des Unternehmens des Schuldners eingesetzt werden können, soweit sie hierfür von besonderer Bedeutung sind. Ein Anspruch des Gläubigers auf Zahlung des geschuldeten Nutzungsentgelts bestimmt sich gem. § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 2 InsO nach den Grundsätzen des § 169 S. 2 und 3 InsO. Ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist nach der ausdrücklichen Regelung des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 1 Ts. 3 durch laufende Zahlungen an den Gläubiger auszugleichen. Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 2 InsO nur, soweit der durch die Nutzung entstandene Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt.
[15] b) Zu Unrecht meint die Revision, ein Wertersatzanspruch stehe allein Absonderungsberechtigten, aber nicht – wie im Streitfall – dem Aussonderung...