ALB § 16
Leitsatz
Bei einer Versicherung für verbundene Leben ergibt sich der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Versicherungsleistung aus dem zwischen den VN und Bezugsberechtigten geschlossenen Vertrag. Das kann der Fortbestand einer Ehe oder einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sein.
BGH, Beschl. v. 14.11.2012 – IV ZR 219/12
Sachverhalt
Der Kl. und seine frühere Lebensgefährtin, die Erblasserin, schlossen bei der Bekl. mit Wirkung zum 1.6.2003 eine Risikolebensversicherung auf verbundene Leben. Dabei waren beide Partner versicherte Personen und räumten sich wechselseitig ein Bezugsrecht für den Todesfall ein.
Der Bekl. zu 1) ist der Sohn der Erblasserin aus erster Ehe; ferner haben der Kl. und die Erblasserin einen weiteren gemeinsamen Sohn. Am 6.12.2008 beendeten der Kl. und die Erblasserin ihre nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Erblasserin teilte daraufhin der Bekl. zu 2) mit, sie wünsche eine Änderung der Bezugsberechtigung ihrer Lebensversicherung dahin, dass der Bekl. zu 1) der Begünstigte sein solle. Die Bekl. zu 2) verlangte hierfür eine gemeinsame Erklärung der Erblasserin und des Kl., die Letzterer ablehnte. Am 3.5.2009 verstarb die Erblasserin. Der Bekl. zu 1) ist ihr testamentarischer Alleinerbe. Nachdem die Bekl. zu 2) sowohl vom Kl. als auch vom Bekl. zu 1) zur Leistung der Versicherungssumme aufgefordert worden war, hinterlegte die Bekl. zu 2). Der Kl. verlangt vom Bekl. zu 1) Zustimmung zur Auszahlung der hinterlegten Versicherungssumme sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Darüber hinaus nimmt er beide Bekl. auf Zahlung von Verzugszinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben.
2 Aus den Gründen:
[5] “… II. 1. a) Zutreffend ist das BG zunächst davon ausgegangen, dass die dem Kl. in dem Versicherungsvertrag durch die Erblasserin eingeräumte Bezugsberechtigung durch diese zu ihren Lebzeiten nicht wirksam gem. § 16 Ziff. 1 und 4 der ALB widerrufen wurde. Für das Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung kommt es auf das Deckungsverhältnis zwischen VN und VR und die dort vereinbarten Bedingungen an (Senat BGHZ 128, 125, 132). Aus dem Versicherungsvertrag ergibt sich, dass es sich um eine Risikolebensversicherung auf verbundene Leben handelt, bei der der Kl. und die Erblasserin jeweils VN und versicherte Person sind und bei der ein wechselseitiges Bezugsrecht besteht. Eine Änderung dieses Bezugsrechts kann nach § 16 Ziff. 1 und 4 der ALB nur durch den Berechtigten erfolgen. Bei einer Versicherung für verbundene Leben handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, bei dem jeder VN seine Leistung, nämlich die Einsetzung des anderen zum Bezugsberechtigten, nur in der Erwartung und unter der Bedingung erbringt, dass der andere ein gleiches tut (OLG Stuttgart VersR 1954, 186; ferner OLG Köln VersR 1992, 1337). Hieraus folgt, dass das Recht zum Widerruf einer einmal eingeräumten Bezugsberechtigung nur von beiden VN gemeinsam ausgeübt werden kann (Benkel/Hirschberg, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl., § 13 ALB 2008 Rn 41 …). Daran fehlt es hier, so dass der Kl. Bezugsberechtigter der Lebensversicherung geblieben ist.
[6] b) Ob der von einer Bezugsberechtigung Begünstigte die Versicherungsleistung im Verhältnis zu den dem VN nachfolgenden Erben behalten darf, beantwortet demgegenüber allein das Valutaverhältnis (Senat VersR 2008, 1054 Rn 21; BGHZ 128, 125, 132; VersR 1987, 659, 660 unter 2.). Ist der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung im Valutaverhältnis entfallen, so kann der Erbe des VN dem Bezugsberechtigten den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegenhalten (vgl. OLG Hamm VersR 2002, 1409).
[7] Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen kann sich bei der Einräumung eines Bezugsrechts in einer Lebensversicherung aus einer Schenkung oder einer unbenannten Zuwendung sowohl bei Ehegatten als auch bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben. Handelt es sich um eine Versicherung für verbundene Leben, so ergibt sich der Rechtsgrund aus dem zwischen den VN und Bezugsberechtigten geschlossenen gegenseitigen Vertrag. Die Geschäftsgrundlage einer derartigen Bezugsberechtigung kann insb. das Bestehen einer Ehe bzw. deren Fortbestand sein (Senat VersR 1987, 659, 660 unter 3; BGHZ 84, 361, 368). Die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage bei wechselseitigen Zuwendungen kommen nach neuerer Rspr. des BGH auch bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften zur Anwendung (BGH NJW 2011, 2880 Rn 18 f.; NJW 2010, 998 Rn 25; BGHZ 177, 193 Rn 33), d.h. auch bei verbundenen Lebensversicherungen zwischen Ehegatten oder Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Gerade in den Fällen, in denen sich Ehegatten oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in einer verbundenen Lebensversicherung als VN und versicherte Personen jeweils wechselseitig ein Bezugsrecht nach dem Tod des Erstversterbenden einräumen, kann bei Scheitern der Ehe oder der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen. ...