VVG § 178 § 180; AUB 2008 § 2 Abs. 1 lit. b
Leitsatz
Der Grad der Invalidität bei dauerhafter Beeinträchtigung der Achillessehne bemisst sich nach dem "Beinwert", wenn sich aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen des Fußes kein höherer "Fußwert" ergibt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
KG, Beschl. v. 27.7.2018 – 6 U 8/18
Sachverhalt
Der Kl. hat am 26.7.2013 eine Achillessehnenruptur rechts erlitten, wegen derer dauerhaft verbliebener Folgen ihm unstreitig eine Invaliditätsleistung aus dem mit der Bekl. abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag zusteht. Die Bekl. hat vorprozessual auf der Grundlage des in ihrem Auftrag erstellten Gutachtens des Dr. X auf der Basis dessen Feststellungen und Bewertung nach dem Invaliditätsgrad für den Fuß von 40 % mit einer Funktionsbeeinträchtigung von 8/20 nach der vereinbarten Gliedertaxe (AUB 2008) bei einer Invaliditätssumme von 210.000 EUR gem. Nachtrag vom 12.2.2013 eine Invaliditätsleistung von 33.600 EUR (16 % aus 210.000 EUR) auf der Grundlage der Abrechnung vom 22.5.2015 erbracht.
Mit seiner Klage hat der Kl. einen weitergehenden Betrag von 4.200 EUR – damit insgesamt 37.800 EUR – nebst außergerichtlicher Kosten geltend gemacht mit der Argumentation, die Funktionsbeeinträchtigung sei nach dem Invaliditätsgrad für das "Bein bis zur Mitte des Oberschenkels" nach der Gliedertaxe in § 2 Abs. 1 b) aa) der AUB von 45 % zu ermitteln, da die Achillessehne – wie unstreitig ist – anatomisch dem Bein und nicht dem Fuß zuzuordnen sei, sodass ihm 8/20 aus 45 %, insgesamt also 18 % aus 210.000 EUR zustünden.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"… 1. Zwar ist dem Kl. darin zu folgen, dass nach der Rspr. des BGH bei der Anwendung der Gliedertaxe durchgängig allein auf den Sitz der unfallbedingten Schädigung (BGH VersR 2015, 617-619) abzustellen ist. Die verletzungsbedingte Funktionsunfähigkeit oder Funktionsbeeinträchtigung eines rumpfferneren Körperteils ist von der unfallbedingten Schädigung des rumpfnäheren Körperteils umfasst, wie sich aus der Systematik der Gliedertaxe ergibt, die den Verlust von Gliedern nach der Rumpfferne bzw. -nähe bewertet (BGH, VersR 2012, 351–354). Der BGH hat deshalb a.a.O. für eine Verletzung des Schultergelenks entschieden, bei der es zu einer Läsion des Plexus brachialis, d.h. einer Schädigung des den Arm und die Hand versorgenden Nervengeflechts kam und eine Funktionsbeeinträchtigung des Arms und der Hand vorlag, dass Ausgangspunkt der Invaliditätsbemessung nicht der Arm oder die Hand, sondern die Schulter ist. Dies lässt sich insoweit auf den hier vorliegenden Fall übertragen, als auch hier die verletzungsbedingten Veränderungen der Achillessehne dem rumpfnäheren Bein zuzurechnen sind, die Funktionsbeeinträchtigungen jedoch im rumpfferneren Fuß auftreten. Denn die Achillessehne ist anatomisch Teil des Unterschenkels, nämlich die gemeinsame Sehne des dreiköpfigen Unterschenkelmuskels. Sie entspringt am Fersenbeinhöcker, womit sie die Kraft des dreiköpfigen Wadenmuskels auf den Fuß überträgt und damit die kraftvolle Beugung des Fußes in Richtung der Fußsohle und zu einem geringen Anteil auch die Auswärtskantung des Fußes ermöglicht, während ihre Funktion als Beugemuskel im Kniegelenk funktionell beinahe zu vernachlässigen ist. Die Achillessehne ist damit zwar anatomisch Teil des Unterschenkels, funktionell jedoch hauptsächlich für die Bewegung im oberen und unteren Sprunggelenk verantwortlich."
Auch wenn die Bestimmung des Invaliditätsgrades damit nach der Rspr. des BGH vorliegend wegen des Sitzes der verletzungsbedingten Schädigung im unteren Bereich des Beines grds. nach dem Beinwert zu bemessen ist, schließt dies aber nicht aus, für die Bemessung des Grades der Funktionsbeeinträchtigung der Achillessehne zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß diese wiederum die Funktion der rumpfferneren Körperteile, hier also des Fußes, beeinträchtigt, da sich die Funktionsbeeinträchtigung notwendigerweise dort auswirkt. Denn wie vom LG im angegriffenen Urteil weiter zutreffend ausgeführt, können auch nach der oben zitierten Rspr. des BGH, von der auch das LG ausgegangen ist, zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung die Wertungen der Gliedertaxe für die in ihrer Funktion beeinträchtigten Glieder oder Gliederteile herangezogen werden (so BGH VersR 2012, 351). Schließlich hat es auch der BGH in dem Urteil vom 14.12.2011 (a.a.O., Rn. 20) für richtig gehalten, auf die Funktionsunfähigkeit des rumpfferneren Körperteils abzustellen, wenn allein dies schon zu einem höheren Invaliditätsgrad führt als die Funktionsunfähigkeit des rumpfnäheren Körperteils. In einem solchen Fall stelle die Invaliditätsleistung für das rumpffernere Körperteil die Untergrenze der geschuldeten Versicherungsleistung dar.
2. Das erstinstanzlich eingeholte Gutachten und die darauf beruhende Entscheidung bewegen sich noch innerhalb dieses rechtlich vorgegebenen Rahmens, und die Bemessung der Invaliditätsleistung auf dieser Grundlage ist auch sachgerecht und plausibel. Denn der SV hat durcha...