"… Die Beschwerde des Betr. ist zulässig."

Dass das AG über den Antrag nicht durch Beschluss entschieden, sondern seine Ablehnung durch eine formlose Mitteilung bekanntgegeben hat, steht der Möglichkeit zur Einlegung einer Beschwerde nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 304 ff. StPO nicht entgegen (vgl. hierzu Gercke/Julius, StPO, 6. Aufl. Rdz. 8 f).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht auch § 305 S. 1 StPO nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen nicht der Beschwerde.

Entsprechend dem Zweck der Bestimmung, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten, gilt dieser Ausschluss nur für Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfindung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (vgl. Meyer/Goßner, § 305 Rd.Ziff. 1 m.w.N.).

Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betr. durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann.

Ob die Nichtherausgabe von Messdaten, Lebensakten u.Ä. nach Verurteilung des Betr. in einem Rechtsbeschwerdeverfahren überprüft werden kann, ist derzeit in der Rechtsprechung umstritten. So hat das OLG Bamberg mit Beschl. v. 4.4.2016 (3 Ss OWi 1444/15) ausgeführt, dass die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung auf Einsichtnahme in die Messdateien nicht gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstößt, wenn sich der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme der Hauptverhandlung davon überzeugt hat, dass die Voraussetzung eines sogenannten standardisierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des BGH eingehalten wurden.

Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 26.8.2016 (2 Ss OWi 589/16) den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen, weil eine Nachprüfung der Entscheidung weder zur Fortbildung des sachlichen Rechts noch wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs geboten sei.

Zur Vermeidung eines später nicht mehr zu beseitigenden rechtswidrigen Zustandes ist dem Betr. daher die Überprüfung im Wege des Beschwerdeverfahrens zu ermöglichen, zumal es sich bei dem Antrag auf Herausgabe der Messdaten etc. nicht um einen – nicht der Beschwerde – zugänglichen Beweisantrag handelt, sondern um einen Antrag auf Akteneinsicht. Die Entscheidung über die Akteneinsicht steht insoweit nicht in einem inneren Zusammenhang mit dem späteren Urteil. Die Rechtsmäßigkeit wird nämlich weder bei der Urteilsfällung überprüft, noch wäre eine zuvor getroffene Entscheidung ggf. korrigierbar (vgl. LG Trier, Beschl. v. 14.9.2017 – 1 Qs 46/17).

Bei dem Geschwindigkeitsmessverfahren mittels des Messgeräts M5 RAD2 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem im Wege antizipierten Sachverständigengutachtens die grundsätzliche Zuverlässigkeit der Messung festgestellt wurde.

Die Richtigkeitsvermutung kann der Betr. eines Bußgeldverfahrens nur angreifen, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler im Rahmen der Messung vorträgt. Es wird ihm also eine Beibringungs- bzw. Darlegungslast auferlegt. Diese Punkte vorzutragen, also die Ausübung rechtlichen Gehörs wird ihm jedoch unmöglich gemacht, wenn die Messdaten als die Grundlage der Messung nicht für eine sachverständige Untersuchung zur Verfügung gestellt werden. Für den Betr. bzw. für seinen Verteidiger ist es nur dann möglich der Darlegungslast nachzukommen und das Messergebnis in Zweifel zu ziehen, wenn er die vom jeweiligen Messgerät erzeugten Digitaltaten als Grundlage jeder Messung technisch auswerten lassen kann. Als Konsequenz hieraus und im Hinblick auf ein faires Verfahren hat die Verwaltungsbehörde daher dem Betr. bzw. soweit noch nicht geschehen auch das AG Zugang zu Informationen zu gewähren, die zu seiner Verteidigung von Bedeutung sein können. Dies folgt aus dem Recht auf Akteneinsicht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 147) in Verbindung mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) (vgl. zu den vorgenannten Ausführungen Beschl. d. VerfGH d. Saarlandes vom 27.4.2018 – LV 1/18).

Der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordert mithin, dass sowohl die Verfolgungsbehörde sowie auch die Verteidigung in gleicher Weise Teilnahme-, Informations- und Äußerungsrechte wahrnehmen kann. An der dadurch garantierten “Parität des Wissens' fehlt es jedoch, wenn die Bußgeldbehörde, nicht aber der Betr. Zugang zu den für die Beurteilung des Messwertes relevanten Unterlagen hat (vgl. LG Trier, a.a.O.).

Vorliegend hat die Stadt M. (Schreiben vom 1.2.2018) folgende Daten mitgeteilt. Eichschein, Rohdaten des Falles sowie die Start-Ende-Kalibrierfotos, Lehrgangsbescheinigungen des Messverantwortlichen sowie des Auswerters, Auswerteprotokol...

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