AKB 2015 A 2.3.2
Leitsatz
Erleidet ein landwirtschaftlich genutzter Streuwagen beim Überfahren eines Geländeabsatzes einen Rad- und Reifenschaden, so besteht dafür Deckung aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Zweibrücken, Urt. v. 31.10.2018 – 1 U 93/17
Sachverhalt
Der Kl. betreibt ein landwirtschaftliches Lohnunternehmen. Im Rahmen des Betriebs dieses Unternehmens verwendet er den bei der Bekl. kaskoversicherten Streuwagen.
Der Sohn des Kl. befuhr mit einem aus einem Traktor und dem Streuwagen bestehenden Gespann einen Landwirtschaftsweg. Der Streuwagen war mit Kompost beladen. Er beabsichtigte, den Kompost auf einer Ackerfläche rechts neben dem Landwirtschaftsweg zu verteilen.
Es kam zu einer Beschädigung des Streuwagens durch Überqueren einer Grasnarbe und 30 cm hohen Geländeabsatzes.
2 Aus den Gründen:
"… Der Kl. kann von der Bekl. wegen der Beschädigung des Streuwagens vom 29.09.2016 gem. Ziffer A.2.1.1 i.V.m. A.2.1.2 AKB Versicherungsleistungen in der beantragten Höhe (8.632,20 EUR) beanspruchen. Der Schaden ist durch einen Unfall i.S.d. Ziffer A.2.3.2 AKB entstanden. Als Unfall nach dieser Bestimmung gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis. Nicht als bedingungsgemäße Unfallschäden gelten u.a. Schäden aufgrund eines “Betriebsvorgangs'. Der Kl. hat nachgewiesen, dass die Beschädigung des Streuwagens durch einen Unfall in diesem Sinne entstanden ist."
1. Entgegen der Auffassung des Erstrichters ist der streitgegenständliche Schaden durch ein “plötzliches' Ereignis entstanden. Plötzlich ist nicht im Sinn von “überraschend' zu verstehen.
a) Das Merkmal “plötzlich' ist gegeben, wenn sich das Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht hat. Auch allmähliche Geschehen werden hierunter subsumiert, sofern die Folgen für den VN unerwartet waren (Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 7). Das Erfordernis des Plötzlichen dient der Abgrenzung der versicherten Risiken gegenüber solchen Ereignissen, die durch einen allmählichen, sich auf einen längeren Zeitraum erstreckenden Eintritt des schädigenden Umstandes gekennzeichnet sind. Plötzlich stellt in erster Linie ein zeitliches Element des Unfallbegriffs dar. Wenn sich das objektive Geschehen innerhalb eines kurzen Zeitraums verwirklicht hat, ist es stets als plötzlich einzustufen. Wann daraus ein Schaden entsteht, spielt dabei keine Rolle. Der Begriff des “Plötzlichen' ist objektiv zu verstehen. Auf die Erwartungen und Vorstellungen des Betroffenen kommt es dabei nicht an (BGH, Urt. v. 12.12.1984 – IVa ZR 88/83, juris Rn 9).
b) Gemessen hieran ist das streitgegenständliche Schadensereignis vorliegend als plötzlich einzustufen. Der Zeuge hat gegenüber dem Senat glaubhaft bekundet, dass das Rad abgebrochen sei, als der Streuwagen noch im Bereich des Abhangs des Geländeabsatzes war. Er habe ein lautes “metallisches Krachen' gehört. Sekundenbruchteile später sei der Traktor stehen geblieben, weil sich die Hinterachse (des Streuwagens) verkeilt habe, so der Zeuge. Anlass, an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen zu zweifeln, besteht nicht. Seine Angaben waren nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Anhaltspunkte, die gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen sprechen, haben sich bei der Vernehmung des Zeugen nicht gezeigt. Der Senat legt seiner Entscheidung daher die Angaben des Zeugen zugrunde. Danach fand das Geschehen, das zu dem Schaden geführt hat, in einem sehr kurzen Zeitraum, nämlich beim Überfahren des Geländeabsatzes statt. Es ist als plötzliches Ereignis anzusehen.
2. Auf den Streuwagen hat ein Ereignis von außen mit mechanischer Gewalt eingewirkt. Die Schadensursache, mithin die Einwirkung auf das Fahrzeug, muss von außen durch einen mechanischen Vorgang kommen; der Schaden selbst kann allerdings in einer inneren Betriebsstörung bestehen (vgl. Klimke, in: Prölls/Martin, VVG, 30. Aufl., AKB 2015 A.2.2.2 Rn. 3 und 9). Die mechanische Gewalt, die auf den Streuwagen eingewirkt hat, wurde vorliegend durch den Kontakt des abgerissenen Rades mit dem Geländeabsatz und damit von außen ausgeübt.
An einer Einwirkung von außen fehlt es selbst dann nicht, wenn man davon ausgeht, dass sich beim Überfahren des Geländeabsatzes die Lenksperre gelöst hat, wie es der Zeuge bei seiner Vernehmung vor dem Senat erklärt hat. Bei einer unfreiwilligen Lösung der Lenksperre handelte es sich zwar um einen mechanischen Vorgang innerhalb des Fahrzeugs, worauf die Berufungserwiderung zutreffend hinweist. Die mechanische Gewalt, die auf den Streuwagen eingewirkt und die den Schaden letztlich verursacht hätte, wäre aber nicht durch den Vorgang der ungewollten Lösung der Lenksperre ausgeübt worden, sondern durch den Kontakt des Rades an der nicht mehr gesperrten Achse des Streuwagens mit dem Geländeabsatz.
Eine ungewollte Lösung der Lenksperre als innere Betriebsstörung verursacht für sich genommen, also bei Stillstand des Streuwagens auf ebener Fläche, noch keinen Schaden am Rad und der Achse. Zu diesem kann es erst kom...