I. Begriff
Auf dem Markt für Mietwagen in Deutschland herrscht eine Tarifspaltung. Wer aus privaten oder geschäftlichen Gründen einen Pkw mietet und die Miete selbst zahlt, hat dafür den sog. Normaltarif zu entrichten. Der Normaltarif ist der Preis, der für den Selbstzahler Anwendung findet und unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gebildet wird. Benötigt der Geschädigte nach einem Unfall einen Ersatzwagen, wird ihm von zahlreichen Vermietern ein sog. Unfallersatztarif angeboten. Dieser übersteigt meist den Normaltarif. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt die Erforderlichkeit des sog. Unfallersatztarifs davon ab, ob die höheren Kosten betriebswirtschaftlich gerechtfertigt sind, weil diese auf der besonderen Unfallsituation beruhen. Die Instanzrechtsprechung akzeptiert Pauschalen, die unabhängig von der konkreten Kalkulation des Autovermieters mit etwa 20 % Aufschlag auf den Normaltarif angesetzt werden.
Wer seinen Pkw zum Kundendienst oder zu einer Reparatur in die eigene Werkstatt bringt, erhält als Kundenbindungsinstrument für die Dauer der Reparatur einen Werkstattersatzwagen. Die Tarife für einen solchen Werkstattersatzwagen sind niedriger als die Normaltarife einer privaten Pkw-Anmietung. Sie beginnen im Durchschnitt bei 20–30 EUR brutto pro Tag (Mini, Smart, Opel Adam, VW Polo). Die Kosten für ein mittleres Fahrzeug (VW Golf, Mercedes Benz A-Klasse) liegen bei 40–50 EUR brutto pro Tag, für ein großes Fahrzeug (BMW X5, VW Passat, Mercedes Benz C-Klasse) bei 60 EUR brutto pro Tag. Zu berücksichtigen ist, dass – im Gegensatz zur Vermietung im Unfallersatzgeschäft – i.d.R. nur 50–150 Freikilometer pro Tag im Mietpreis beinhaltet und Kosten für Mehrkilometer extra zu bezahlen sind. Die Selbstbeteiligung im Kaskoschadensfall liegt ebenfalls höher, nämlich bei 500–2.000 EUR je Schadensfall.
II. Aufklärungspflicht
Bietet der Autovermieter dem Unfallgeschädigten ein Fahrzeug zu einem Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss er nach der Rechtsprechung des BGH den Unfallgeschädigten hierüber aufklären. Eine Aufklärungspflicht über den gespaltenen Tarifmarkt und darüber, dass der Autovermieter auf die eigenen verschiedenen oder fremden, günstigeren Angebote der Konkurrenz hinweist, besteht nicht. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder nur einen einheitlichen Tarif anbietet.
III. Nachfragepflicht
Es hängt vom konkreten Einzelfall ab, inwieweit man dem Geschädigten zumutet, aktiv beim Vermieter nach den zur Verfügung stehenden Tarifen zu fragen. Eine Nachfrage ist dann erforderlich, wenn dem Geschädigten ein Unfallersatztarif angeboten wird und er Kenntnis von einem deutlich günstigeren Normaltarif hat oder allein die Höhe des angebotenen Tarifs Bedenken gegen die Angemessenheit hervorrufen muss. Dies nimmt die Rechtsprechung an, wenn das Angebot des Vermieters um ein Vielfaches überhöht ist. Bei einem Normaltarif im Bereich der "Schwacke-Liste" besteht für den Geschädigten keinerlei weitere Pflicht zur Recherche, insb. nicht im Internet. Eine Nachfragepflicht beim Vermieter bzgl. eines möglichen Werkstattersatztarifs hat die Rechtsprechung dem Unfallgeschädigten bislang explizit nicht auferlegt. Jedenfalls sofern er keinen Anlass hat, an der Angemessenheit des ihm angebotenen Tarifs zu zweifeln, besteht eine solche richtigerweise nicht.