A. Allgemein
Verletzt der Träger der Straßenbaulast – handelnd etwa durch die Beschäftigten seines Bauhofs – seine Verkehrssicherungspflicht und wird dadurch jemand verletzt oder gar getötet oder eine Sache beschädigt, droht die Verpflichtung zum Schadensersatz oder gar eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 223 StGB). Aber warum können die Angestellten einer Kommune oder die Mitarbeiter überhaupt für Schäden von Verkehrsteilnehmern haften, wenn sie buchstäblich "gar nichts getan" haben? Ausgangspunkt für die Anerkennung von Verkehrssicherungspflichten ist die Überlegung, dass ein Geschädigter grds. nur dann Ansprüche hat, wenn seine Rechtsgüter aktiv durch die Handlungen eines anderen verletzt wurden. Nur in Ausnahmefällen kann ein Unterlassen zum Schadensersatz verpflichten, nämlich dann, wenn für einen Dritten eine Pflicht zum Handeln bestand – wenn er also etwa eine Verkehrssicherungspflicht hat. Solche Verkehrssicherungspflichten können sich daraus ergeben, dass jemand – der Verfügungsberechtigte – seine Anlagen und Einrichtungen der Öffentlichkeit zur Benutzung zur Verfügung stellt oder diese zumindest duldet. Der Verfügungsberechtigte hat dann im Rahmen seiner Möglichkeiten alles Zumutbare zu tun, dass andere nicht zu Schaden kommen.
Auch die Straßenverkehrssicherungspflicht beruht auf der Tatsache, dass von den Straßen durch Zulassung eines Verkehrs Gefahren ausgehen können. Gegenstand der Verkehrssicherungspflicht sind dann (nur) die Maßnahmen, mit denen diesen Gefahren zu begegnen ist. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht richten sich nach dem Zweck, dem die jeweilige Verkehrseinrichtung gewidmet ist und dient, und den Gefahren, die bei der Benutzung entstehen können. Die Pflicht erstreckt sich dabei nicht nur auf den Zustand der Fahrbahn, sondern auch darauf, dass sich der Verkehr auf der Straße gefahrlos abwickeln kann; die VSP gegenüber dem motorisierten Straßenverkehr erstreckt sich z.B. über die Fahrbahn hinaus auch auf die Bankette, die vom Straßenverkehr nur selten oder ausnahmsweise unter besonderen Verkehrsbedingungen mitbenutzt werden.
Die praktisch völlige Gefahrlosigkeit der Straßen (oder sonstiger Verkehrseinrichtungen) kann allerdings mit zumutbaren Mitteln nicht erreicht und deshalb vom Verkehrssicherungspflichtigen auch nicht verlangt werden. Die VSP geht daher auch nicht weiter, als dass der Verpflichtete in geeigneter und zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen oder ggf. vor ihnen warnen muss, die der Zustand der Straße im dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand für den Verkehrsteilnehmer in sich birgt und die auch für den Verkehrsteilnehmer, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt, bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrsweges nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht ohne Weiteres einzustellen und einzurichten vermag. Es werden also nur die Vorkehrungen geschuldet, die im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwehren. Aus der Tatsache allein, dass die Beschaffenheit des Verkehrsweges einen Unfall (mit)verursacht hat, kann also eine Haftung wegen Verletzung der VSP nicht hergeleitet werden.
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers wird maßgebend durch die Art und Häufigkeit der Straße und ihre Verkehrsbedeutung bestimmt. "Die VSP gilt nicht umstandslos gegenüber jedem Verkehrsteilnehmer. Vielmehr wird die Reichweite der VSP grds. durch die Widmung oder Freigabe einer Straße beschränkt. Wird eine Straße gelegentlich in einer die Widmung überschreitenden Weise unter Duldung des Verkehrssicherungspflichtigen genutzt, so richtet sich der Umfang der VSP dennoch nur nach der Widmung. Gegenüber einem nicht berechtigten Verkehr kann allerdings im Einzelfall eine VSP auch dann bestehen, wenn für denjenigen, der die Gefahr geschaffen hat, erkennbar ist, dass das Verbot nicht beachtet wird, weil das verbotene Gelände eine besonders große Anziehungskraft ausübt und die dort lauernde Gefahr außerordentlich groß ist." Wird eine Straße als Umleitungsstrecke herangezogen, kann sich auch ihre Verkehrsbedeutung ändern (erhöhen). Dann gelten auch erhöhte Verkehrssicherungspflichten. Zwischen mehreren möglichen Umleitungsstrecken kann die Straßenbaubehörde frei wählen. Wählt sie allerdings eine völlig ungeeignete Strecke, liegt darin eine Amtspflichtverletzung.