VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5; VAG §§ 155, 157
Im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung in der Krankenversicherung gem. § 203 Abs. 2 S. 1 VVG ist die Unabhängigkeit des zustimmenden Treuhänders von den Zivilgerichten nicht gesondert zu überprüfen.
BGH, Urt. v. 19.12.2018 – IV ZR 255/17
Der BGH hat mit Urteil vom 19.12.2018 (IV ZR 255/17) eine die Rechtsprechung und Rechtslehre der letzten Jahre aufwühlende Frage beantwortet. Hintergrund ist: In der substitutiven Krankenversicherung ist das (ordentliche) Kündigungsrecht des Versicherers ausgeschlossen. Als notwendigen Ausgleich gewährt das Gesetz dem Versicherer ein Prämienanpassungsrecht, damit die dauernde Erfüllbarkeit der Verträge des jeweiligen Versichertenkollektivs bei veränderten Rechnungsgrundlagen der Prämienfestsetzung (Änderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens mit der Folge vom Versicherer nicht beeinflussbarer Schadenbedarfe) gewährleistet ist.
Zugleich hat das Gesetz (§ 203 Abs. 2 VVG i.V.m. §§ 155, 157 VAG) die Neufestsetzung der Prämien für ein denselben Tarif genießendes Versichertenkollektiv von der Zustimmung eines "unabhängigen Treuhänders" (als eines Sachwalters der Interessen der Versicherten) abhängig gemacht. Teile der Rechtsprechung und Rechtslehre hatten die Auffassung vertreten, die (persönliche und wirtschaftliche) Unabhängigkeit des Treuhänders vom Versicherer sei zivilgerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar. Das hat der BGH jetzt anders gesehen (so auch OLG Celle zfs 2018, 641 m. zust. Anm. Rixecker). In der außerordentlich sorgfältigen und umfangreichen Begründung stützt sich der BGH (u.a.) darauf, dass Aufgabe des Treuhänders die Wahrung der Belange des Versichertenkollektivs sei.
Das stehe einem subjektiven Recht eines einzelnen Versicherungsnehmers auf Kontrolle der Unabhängigkeit entgegen. Eine solche individuelle Kontrolle könne zugleich zu divergierenden und eine Prämienanpassung sachwidrig verzögernden und damit andere Versicherungsnehmer möglicherweise benachteiligenden Entscheidungen führen. Der wirksame Rechtsschutz des Einzelnen sei dadurch gewährleistet, dass die materielle Rechtfertigung der Neufestsetzung der Prämien uneingeschränkt der gerichtlichen Prüfung unterliege. Ob der Treuhänder unabhängig sei, sei folglich allein aufsichtsrechtlich zu entscheiden.
Im Übrigen weist der BGH darauf hin, dass Unzulänglichkeiten der vorgesehenen Mitteilung der Gründe des Versicherers für die Prämienanpassung (§ 203 Abs. 5 VVG) "lediglich" dazu führen, dass der Beginn der Frist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung bis zur Nachholung einer ausreichenden Begründung hinausgeschoben wird.
Hinweis: Die vollständigen Entscheidungsgründe finden sich unter https://www.bundesgerichtshof.de/DE/Entscheidungen/entscheidungen_node.html.
Autor: Roland Rixecker
Professor Dr. Roland Rixecker
zfs 4/2019, S. 182 - 183