AUB 96 § 2 Abs. 4
Leitsatz
1. Die Leistungsausschlussklausel in § 2 Abs. 4 AUB ist wirksam. Sie erfasst auch Unfälle, bei denen infolge psychischer Fehlverarbeitung weitergehende Störungen auftreten. Ob psychische Vorgänge mit bestimmten biochemischen Prozessen im Körper zusammenhängen, ist für das Verständnis dieses Ausschlusstatbestandes ohne Belang.
2. Der Versicherungsnehmer muss einen unfallbedingten Primärschaden und dessen Eignung zu einer psychischen, invaliditätsbedingten Reaktion darlegen und beweisen.
OLG Dresden, Beschl. v. 9.10.2019 – 4 U 1627/19
Sachverhalt
Der Kl. hat bei der Bekl. eine Unfallversicherung abgeschlossen. Nach dem Inhalt des Versicherungsscheins zahlt die Bekl. im Falle einer unfallbedingten Vollinvalidität einmalig eine Versicherungssumme i.H.v. 482.700 EUR sowie eine monatliche Unfallrente von 946,50 EUR. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Versicherungsscheins Bezug genommen.
Der Kl., der eine Ausbildung als Bankkaufmann absolviert hat, arbeitete zuletzt als Kundenberater in der Kreditabteilung einer Bank. Mit Unfallanzeige vom 4.4.2018 zeigte er der Bekl. einen Unfall vom 17.10.2016 an, den er wie folgt schilderte: "“Schikane' durch Arbeitgeber u.a. am 17.10.2016". Die Bekl. lehnte die Leistung mit Schreiben vom 9.4.2018 ab, da kein Unfallereignis stattgefunden habe. Der Kl. übersandte der Bekl. das Fachärztliche Attest des Dr. med. H. vom 16.4.2018, auf das wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen wird.
Der Kl. behauptet, er sei im Rahmen eines während der Arbeitszeit in den Bankräumen geführten Gesprächs vom 17.10.2016 durch seinen Vorgesetzten massiv angeschrien worden, wodurch er akut traumatisiert worden sei. Infolgedessen leide er an rezidivierenden schweren bis mittelschweren depressiven Episoden und an einer Angststörung. Der Vorfall vom 17.10.2016 sei als Unfallereignis i.S.d. Versicherungsbedingungen einzustufen.
2 Aus den Gründen:
"…"
Zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen hat das LG den vom Kl. geltend gemachten Anspruch zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung vermögen nicht zu überzeugen. (…)
2. Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, der Leistungsausschluss in § 2 Abs. 4 AUB sei wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherten gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam. Der Senat schließt sich insoweit nochmals ausdrücklich der hierzu ergangenen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung an, die zu einer identischen Klausel festgestellt hat, dass diese nicht unklar i.S.d. § 305c Abs. 2 BGB sei und auch der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB standhalte und somit nicht beanstandet werden könne (vgl. BGHZ 159, 360–370 …). (…)
3. Zu Recht weist die Berufung darauf hin, dass krankhafte Störungen, die eine organische Ursache haben, vom Leistungsausschluss gem. § 2 Abs. 4 AUB nicht umfasst sind. Allerdings vermochte das LG eine organische Ursache für die behaupteten psychischen Beschwerden des Kl. gerade nicht festzustellen.
a) Nach § 2 Abs. 4 AUB sind alle Leistungseinschränkungen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, die durch eine psychisch bedingte Reaktion auf das Unfallereignis bzw. die unfallbedingte Gesundheitsschädigung hervorgerufen wurden. Dies betrifft zum einen Fälle, in denen das Unfallereignis nicht zu einer Verletzung des Körpers geführt hat, und eine dauerhafte Beeinträchtigung allein infolge einer psychischen Reaktion auf einen Schock, Schrecken oder ähnlichen Vorfall hin eintritt, z.B. eine Angstneurose nach durchlebter Gefahrensituation. Zum anderen werden Unfälle erfasst, bei denen infolge psychischer Fehlverarbeitung einer Gesundheitsschädigung weitergehende Störungen wie Depressionen, Neurosen, Amnesien, dissoziative Bewegungsstörungen, posttraumatische Belastungs- oder Somatisierungsstörungen auftreten (vgl. BGH a.a.O. …). Voraussetzung ist stets ein hinreichend medizinisch fundierter Zusammenhang zwischen der biologischen Reaktion und der zur Invalidität führenden Erkrankung (vgl. OLG Rostock zfs 2005, 613), der etwa im Falle einer infolge des Erlebens bzw. Erleidens eines schwer belastenden Ereignisses erfolgenden Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht besteht (…). Die bei dem Kl. festgestellten depressiven Episoden und die Angststörung sollen nach seinem eigenen Vortrag allein durch den Vorfall vom 17.10.2016 ausgelöst worden sein, bei dem er nach seiner Schilderung durch einen Vorgesetzten massiv angeschrien und unter Druck gesetzt worden sei. Soweit er mit seiner Berufung geltend macht, die infolge des Vorfalls erfolgte Ausschüttung von Stresshormonen habe eine psychische Reaktion hervorgerufen, ist eine ergänzende Beweisaufnahme nicht geboten. Ob und inwieweit psychische Vorgänge im Körper eines Menschen mit bestimmten biochemischen Prozessen im Körper zusammenhängen, hat keine Auswirkungen auf das Verständnis des Ausschlusstatbestandes “psychische Reaktion' (vgl. Senat, Beschl. v. 12.12.2017 – 4 U 1036/17, juris).
b) Eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung des LG, die eine ergänzende Be...