ZPO § 3; RVG § 15a; VV RVG Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
1. Für den Streitwert einer Deckungsschutzklage ist die volle Verfahrensgebühr nach dem Streitwert des Haftpflichtprozesses auch dann maßgeblich, wenn der Versicherer vorprozessual eine Geschäftsgebühr an den Anwalt des Versicherungsnehmers gezahlt hat.
2. Sachverständigenkosten sind für den Streitwert des Deckungsschutzes dann einzubeziehen, wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind. Dem Gericht, bei dem der Deckungsschutzprozess anhängig ist, kommt insofern ein Prognosespielraum zu, der vom Beschwerdegericht nur eingeschränkt überprüft werden kann.
OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2019 – 4 W 896/19
Sachverhalt
Der Kl. hatte gegen seine Rechtsschutzversicherung (RSV) vor dem LG Dresden eine Deckungsschutzklage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem sog. Diesel-Skandal erhoben. Nach Rechtshängigkeit der Klage hat die beklagte RSV die begehrte Deckungszusage abgegeben.
Bei der Festsetzung des Streitwertes hat das LG Dresden zunächst Sachverständigenauslagen i.H.v. 6.000 EUR und eine Einigungsgebühr berücksichtigt. Auf Seiten der Anwaltskosten des Kl. hat das LG in die Streitwertbemessung eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG einbezogen. Die Bekl. hat gegen die Berücksichtigung der drei vorgenannten Kostenpositionen Beschwerde eingelegt. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr hat die Bekl. geltend gemacht, sie habe dem Kl. bereits Deckungsschutz für eine 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagen für die außergerichtliche Vertretung bewilligt und seinem Anwalt einen entsprechenden Betrag ausgezahlt. Deshalb sei die Verfahrensgebühr bei der Berechnung des Streitwertes der Deckungsschutzklage nur mit einem Gebührensatz von 0,65 zu berücksichtigen.
Das LG Dresden hat der Streitwertbeschwerde hinsichtlich der Sachverständigenkosten und der Einigungsgebühr teilweise abgeholfen und den Streitwert entsprechend herabgesetzt. Das OLG Dresden hatte deshalb nur noch über die Berücksichtigung der unverminderten Verfahrensgebühr zu entscheiden. Diese weitergehende Beschwerde hat das OLG Dresden zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen:
"…"
II.
[2] Die an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das LG hat zutreffend auch beim Kl. eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 1.125,60 EUR zzgl. Umsatzsteuer angesetzt. Die Auffassung der Bekl., weil sie Deckungsschutz für eine außergerichtliche 1,3 Geschäftsgebühr bewilligt und einen Betrag i.H.v. 1.474,89 EUR geleistet habe, sei die Verfahrensgebühr auch bei der Berechnung des Streitwerts der Deckungsklage nur mit 0,65 zu berücksichtigen, trifft nicht zu. Zwar sind im Verfahren die Gebühren für die vorgerichtliche Tätigkeit gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 RVG-VV teilweise auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Diese Anrechnungsbestimmung hat – wie sich aus § 15a Abs. 1 RVG ergibt (vgl. dazu BeckOK-RVG/v. Seltmann, 45. Ed., § 15a Rn 5; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl., § 15a Rn 9) – indes auf die Entstehung beider Gebühren dem Grunde nach, die allein für die Berechnung des Streitwerts einer Deckungsschutzklage maßgeblich ist, keinen Einfluss. Daran ändert auch nichts, dass die Bekl. ausweislich des von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Schreibens vom 19.11.2018 die von ihr ermittelte Geschäftsgebühr bereits vorprozessual ausgeglichen hat. Zwar könnte sie sich deswegen nach § 15a Abs. 2 RVG in der Kostenfestsetzung auf die im Innenverhältnis zwischen dem Kl. und dessen Prozessbevollmächtigten notwendige Anrechnung berufen, wenn ihr gegenüber beide Gebühren geltend gemacht würden. Dies würde jedoch lediglich dazu führen, dass die an sich entstandene Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung der Geschäftsgebühr erlischt.
[3] Für eine Berücksichtigung der vom Kl. mit 6.000 EUR angesetzten Kosten für die Beauftragung eines Sachverständigen, die im Beschwerdeverfahren als reformatio in peius auch von Amts wegen möglich ist (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2009 – I-24 W 13/09 –, juris), sieht der Senat keine Veranlassung. Im Ausgangspunkt gehen beide Parteien zutreffend davon aus, dass sich der Streitwert einer Deckungsschutzklage gegen die Rechtsschutzversicherung gem. § 3 ZPO i.V.m. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG regelmäßig nach den voraussichtlichen Kosten richtet, die durch die gerichtliche oder außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers entstehen und deren Übernahme er verlangt, abzüglich eines zwanzigprozentigen Feststellungsabschlags (so BGH, Beschl. v. 8.3.2006 – IV ZB 19/05, Rn 5, AGS 2006, 451 = RVGreport 2006, 440 Ls; ebenso BGH, Beschl. v. 26.10.2011 – IV ZR 141/10, Rn 4, AGS 2012, 50 = zfs 2012, 32; Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 15.10.2019 – 11 W 24/19 –, juris; vgl. ferner Bauer NJW 2015, 1329, 1332; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 3 Rn 16 Stichwort “Rechtsschutzversicherung').
Ob und ggf. inwieweit dabei, wenn es um die Deckungszusage für eine gerichtliche Auseinandersetzung geht, neben den Gebühren für d...