StVG § 25 Abs. 6
Leitsatz
§ 25 Abs. 6 S. 1 StVG gebietet nur die Anrechnung der Dauer einer in demselben Verfahren angeordneten vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 12.11.2020 – 1 OWi 2 SsBs 146/20
Sachverhalt
Das AG hat den Betr. wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 98 km/h zu einer Geldbuße von 1.200 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von 3 Monaten angeordnet. Es hat sodann festgestellt, dass die Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Verfahren vor dem AG Kaiserslautern (6070 Js 12532/19) für die Dauer vom 25.7.2019 bis zum 9.6.2020 auf das im hiesigen Verfahren angeordnete Fahrverbot von 3 Monaten gem. § 25 Abs. 6 S. 1 StVG anzurechnen ist, sodass das angeordnete Fahrverbot als vollstreckt gilt. Die StA wendet sich mit ihrer wirksam eingelegten und rechtzeitig begründeten Rechtsbeschwerde gegen die in Ziffer 2 des Tenors getroffene Feststellung über die Anrechnung der Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf das angeordnete Fahrverbot. Das OLG Zweibrücken hat das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"… Das nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte, lediglich den Rechtsfolgeausspruch des angefochtenen Urteils betreffende Rechtsmittel, ist begründet und führt zum Erfolg. Die Ausführungen des AG rechtfertigen vorliegend die Anrechnung der Dauer der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis im Verfahren des AG Kaiserslautern – 6070 Js 12532/19, auf das in diesem Urteil angeordnete Fahrverbot von 3 Monaten nicht. Dies entzieht dem Rechtsfolgenausspruch insgesamt die Grundlage, mit der Folge, dass die von der StA vorgenommene Rechtsmittelbeschränkung auf einen Teil des Rechtsfolgeausspruchs unwirksam ist."
I. Das AG hat zur Begründung seiner Entscheidung Folgendes ausgeführt: “Das Fahrverbot gilt jedoch als vollstreckt, § 25 Abs. 6 S. 1 StVG.' Zusätzlich finden sich unter III. bezüglich des Vortrags des Verteidigers noch folgende Ausführungen:
“Der Verteidiger des Betr. hat wie folgt vorgetragen: das anzuordnende Fahrverbot muss als vollstreckt gelten, weil der Betr. in anderer Sache (Dokument wurde als Anlage zum Protokoll vorgelegt) eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis über fast 11 Monate hinnehmen musste.'
II. 1) Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 6 S. 1 StVG liegen nicht vor.
Aus dem Tenor und dem dargestellten Vortrag des Verteidigers ist zu entnehmen, dass die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis in einem anderen Verfahren angeordnet wurde. Regelmäßig kann die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf ein später angeordnetes Fahrverbot gem. § 25 Abs. 6 S. 1 StVG jedoch nur dann erfolgen, wenn beide Anordnungen im gleichen Verfahren – wenn auch nicht zwingend wegen derselben Tat – erfolgt sind (vgl. Haus/Krumm/Quarch, 2. Aufl., 2017, § 25 StVG Rn 62). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Tatbestand des § 25 StVG in seiner Grundkonzeption dem Fahrverbot gemäß § 44 StGB nachgebildet ist (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, 26. Aufl. 2020, § 25 StVG Rn 1). Der Gesetzgeber hat schon bei der Einführung der Anrechnungsmöglichkeit einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis auf ein Fahrverbot im § 25 StVG ausdrücklich eine Anpassung an die diesbezüglichen Vorschriften des Strafgesetzbuches beabsichtigt (vgl. BT-Drucks V/4094, S. 60, zu Art. 83, zu Nr. 1). Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut besteht eine Anrechnungsmöglichkeit auf ein Fahrverbot i.S.d. § 44 StGB gem. § 51 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 StGB jedoch nur in den Fällen, in denen der Verhängung des Fahrverbots im gleichen Verfahren eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis voranging (vgl. MüKo StGB, 2020, § 51 StGB Rn 65 f.). Es ist auch nicht ersichtlich, warum sich die Regelung zur Anrechenbarkeit bei einem Fahrverbot gem. § 25 StVG von derjenigen bezüglich eines Fahrverbots gem. § 44 StGB unterscheiden sollte. Sinn und Zweck sind identisch. Die Möglichkeit der Anrechnung trägt dem Gedanken Rechnung, dass eine im selben Verfahren erlittene Entziehung der Fahrerlaubnis durch seine Verbotswirkung den Zweck eines später angeordneten Fahrverbots im Sinne einer Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme (vgl. BT-Drucks V/1319, 90) bereits erfüllt hat und dieses daher entbehrlich macht. Eine über den gesetzlichen Wortlaut des § 51 Abs. 1 StGB hinausgehende Anwendung der Vorschrift auf verfahrensfremde Fahrverbote, nur weil sie gem. § 25 StVG und nicht gem. § 44 StGB angeordnet wurden, wäre vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Die Beschränkung der Anrechenbarkeit von Nebenfolgen auf Anordnungen im selben Verfahren entspricht der Regel. Auch der BGH hat seine Rspr. zum einheitlichen Fahrverbot in Bußgeldverfahren auf die Fälle beschränkt, in denen mehrere, tatmehrheitlich entstandene Fahrverbote im selben Verfahren verhängt werden müssten (vgl. BGH, Beschl. v. 16.12.2015 – 4 StR 227/15, BGHSt 61, 100). Eine Verrechnung mit Fahrverboten aus anderen Verfahren ist auch hier nicht möglich.
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