ZPO § 103 Abs. 1 § 104 Abs. 1 S. 2 § 794 Abs. 1 Nr. 1
Leitsatz
Wird die in einem erstinstanzlichen Urteil getroffene Kostengrundentscheidung durch eine im zweiten Rechtszug im Wege des Prozessvergleichs getroffene Kostenregelung ersetzt, kann, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren, eine Verzinsung zu erstattender Kosten nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO erst von einem Antragszeitpunkt nach dem Vergleichsschluss verlangt werden; maßgeblich ist das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich bezogenen Kostenfestsetzungsantrags (Abgrenzung von BGH, Beschl. v. 22.9.2015 – X ZB 2/15, NJW 2016, 165 = AGS 2016, 31).
BGH, Beschl. v. 4.11.2020 – VII ZB 37/18
Sachverhalt
Das LG Weiden i.d. OPf. hatte die Bekl. durch Endurteil vom 4.10.2016 u.a. (anteilig) zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Mit dem am 10.11.2016 beim LG eingegangenen Kostenausgleichungsantrag hat der Kl. für die erste Instanz auszugleichende Kosten i.H.v. 7.560,90 EUR angemeldet und einen entsprechenden Verzinsungsantrag gestellt. Die Bekl. hat gegen das landgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem BG, dem OLG Nürnberg, haben die Parteien einen Vergleich geschlossen, nach dem von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen der Kl. 7 % und die Bekl. 93 % zu tragen haben.
Mit seinem am 20.10.2017 beim LG Weiden i.d. OPf. eingegangenen Kostenausgleichungsantrag hat der Kl. für die zweite Instanz weitere Kosten i.H.v. 1.823,70 EUR angemeldet. Unter Berücksichtigung der bei der Bekl. angefallenen Kosten hat der Rechtspfleger des LG am 9.11.2017 einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen, nach dem er die von der Bekl. an den Kl. nach dem Vergleich zu erstattenden Kosten auf 8.487,81 EUR nebst Zinsen seit dem 20.10.2017 festgesetzt hat. Der Erstattungsbetrag setzte sich aus erstinstanzlichen Kosten i.H.v. 6.942,75 EUR und aus Kosten der zweiten Instanz i.H.v. 1.545,06 EUR zusammen.
Auf die sofortige Beschwerde des Kl. hat das OLG Nürnberg den Kostenfestsetzungsbeschluss dahin geändert, dass die Bekl. die für die erste Instanz festgesetzten Kosten i.H.v. 6.942,75 EUR schon ab dem 10.11.2016, dem Eingang des nach Erlass des landgerichtlichen Urteils gestellten Kostenausgleichungsantrags, zu verzinsen hat. Mit ihrer – vom OLG Nürnberg zugelassenen – Rechtsbeschwerde begehrt die Bekl. die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Kl.
2 Aus den Gründen:
"… II."
[6] Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
[7] 1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in JurBüro 2018, 358 abgedr. ist, hat im Wesentlichen ausgeführt: Der Kl. habe hinsichtlich des erstinstanzlichen Teilbetrags i.H.v. 6.942,75 EUR nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO Anspruch auf eine Verzinsung ab dem Tag des Eingangs des Kostenausgleichsantrags für die erste Instanz, also ab dem 10.11.2016. Zwar könnten grds. Zinsen gem. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO erst ab Eingang eines neuen Kostenausgleichsantrags nach Abschluss des Vergleichs in zweiter Instanz verlangt werden, mit dem die Parteien eine neue Grundlage für die Kostenverteilung geschaffen hätten. Jedoch habe der BGH mit Beschl. v. 22.9.2015 (X ZB 2/15, NJW 2016, 165) entschieden, dass in dem Fall, dass eine erstinstanzliche Kostenentscheidung nach § 91 Abs. 1 ZPO in der zweiten Instanz wegen einer Klagerücknahme wirkungslos werde und an deren Stelle eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 4 ZPO trete, der Kostengläubiger Zinsen nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO schon ab Eingang des auf Grundlage der erstinstanzlichen Kostentscheidung gestellten Kostenausgleichsantrags verlangen könne, sofern zugunsten des Kostengläubigers durchgehend eine vollstreckbare Kostengrundentscheidung vorgelegen habe. Diese Überlegungen seien auf die hiesige Konstellation zu übertragen, bei der die erstinstanzliche Kostenentscheidung nicht durch gerichtliche Entscheidung, sondern durch Parteivereinbarung geändert worden sei. Entscheidend sei allein, ob ohne zeitliche Unterbrechung eine durchgehende Möglichkeit des Kostengläubigers bestanden habe, die erstinstanzlich angefallenen Kosten im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben. Dies sei im Umfang von 93 % der Kosten der Fall, denn aufgrund des vorläufig vollstreckbaren erstinstanzlichen Urteils hätte der Kl. 100 % der angemeldeten Kosten gegenüber der Bekl. vollstrecken können. Diese Vollstreckungsmöglichkeit sei erst mit Abschluss des Vergleichs v. 11.10.2017 entfallen, durch den jedoch gleichzeitig und ohne zeitliche Unterbrechung eine neue Vollstreckungsmöglichkeit hinsichtlich derselben Kosten im Umfang von 93 % geschaffen worden sei.
[8] 2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das LG hat im Kostenfestsetzungsbeschluss den Zinsbeginn für die Verzinsung der festgesetzten Kosten der ersten Instanz zu Recht auf den 20.10.2017, anknüpfend an das Eingangsdatum des auf den Prozessvergleich gestützten Kostenausgleichsantrags, festgesetzt.
[9] a) Der Anspruch auf Erstattung vo...