VVG § 1 § 88; AKB A 2.2.1
Leitsatz
1. Die Klage des Versicherungsnehmers gegen den Kfz-Kaskoversicherer auf Leistung des Wiederbeschaffungswertes des versicherten Fahrzeugs wegen behaupteten Diebstahls darf nicht schon deshalb als unschlüssig abgewiesen werden, weil der Versicherungsnehmer keine Details zur Reparatur eines bei dem Vorbesitzer eingetretenen Vorschadens vortragen kann.
2. Denn für den Anspruch aus dem Kaskoversicherungsvertrag ist allein das vertragliche Leistungsversprechen des Versicherers maßgeblich, die gesetzlichen Vorschriften zum Schadenersatz finden keine Anwendung. Soweit es für die Höhe des Wiederbeschaffungswertes auf die fachgerechte Reparatur des Vorschadens ankommt, kommt – wie auch im Schadenersatzrecht – eine geminderte Darlegungslast in Betracht, wenn der Kl. über die aufklärungsbedürftigen Punkte kein eigenes zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Bei Unaufklärbarkeit ist ein Mindestwiederbeschaffungswert zu schätzen; denn ein zum Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug eines bestimmten Typs mit einer bestimmten Laufleistung und einem bestimmten Alter hat einen Mindestwert, den ein Sachverständiger bestimmen kann, auch wenn das Fahrzeug Vorschäden hatte.
KG, Beschl. v. 21.4.2020 – 6 U 175/18
1 Aus den Gründen:
"Die Berufung kann gem. § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gem. § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen."
Beide Voraussetzungen liegen hier vor.
1) Aus der von der Bekl. selbst eingereichten Anlage B 4 – dem Fragebogen, den der Kl. ausgefüllt hat – ergeben sich die Angaben zum äußeren Bild eines versicherten Diebstahls. Danach hat der Kl. sein Fahrzeug am 15.8.2013 gegen 20.00 Uhr auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes der Fa. (…) in der (…)-Chaussee in P. abgestellt und dort gegen 20.30 Uhr nicht wieder aufgefunden. Da die Bekl. den Diebstahl bestreitet, hätte das LG den Kl. persönlich gem. § 141 ZPO zu dem behaupteten äußeren Bild eines versicherten Diebstahls anhören müssen, weil der Kl. auf andere Art und Weise das äußere Bild nicht beweisen kann. Dies hat das LG verfahrensfehlerhaft unterlassen und damit den Anspruch des Kl. auf rechtliches Gehör verletzt.
2) Das angefochtene Urteil beruht auch auf diesem Rechtsfehler sowie der damit im Zusammenhang stehenden unzureichenden Tatsachenfeststellung, denn das angefochtene Urteil erweist sich nicht auch aus anderen Gründen als richtig.
a) Das LG kennt die Rspr des BGH offensichtlich nicht und berücksichtigt die Grundsätze dieser Rspr auch nicht. Maßgeblich für den Anspruch des VN aus einem Kaskovertrag ist allein das vertragliche Leistungsversprechen des VR, wohingegen die gesetzlichen Vorschriften zum Schadensersatz keine Anwendung finden (BGHZ 207, 358). Die Auffassung des LG, die Grundsätze des Schadensersatzrechts seien auf das Versicherungsverhältnis übertragbar, soweit es um den Umfang des erforderlichen Vortrages zur Reparatur eines Vorschadens geht, berücksichtigt leider – wie der Senat in der Vergangenheit bereits wiederholt feststellen musste – die wesentlichen Unterschiede zwischen der Abwicklung eines Unfallereignisses durch einen Kfz-Haftpflichtversicherer und der Regulierung eines Kaskoschadens nicht.
aa) Bei der Abwicklung eines Versicherungsfalls über eine Kaskoversicherung sind der Geschädigte als VN und der VR durch ein Vertragsverhältnis verbunden, das für beide Seiten in besonderem Maße durch die Grundsätze von Treu und Glauben geprägt ist. Dem VN kommen deswegen Beweiserleichterungen zugute, soweit es um den Nachweis des Versicherungsfalls geht, der VR ist verpflichtet, den geltend gemachten Anspruch sorgfältig zu prüfen und hat dazu den Sachverhalt ggf. durch Nachfragen und eigene Ermittlungen aufzuklären, soweit er dies für seine Regulierungsentscheidung für erforderlich hält. Der VN hat hierzu die vertraglich vereinbarten Obliegenheiten zu erfüllen, will er nicht einen teilweisen oder vollständigen Anspruchsverlust riskieren.
Bei Streit über die Höhe des Wiederbeschaffungswertes sehen die AKB die Möglichkeit zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens vor. Auch diese Regelungen zeigen, dass der VR die Höhe des vertraglichen Anspruchs konkret bestreiten muss und sich wegen seiner vertraglichen Pflichten nicht auf ein pauschales Bestreiten zurückzuziehen darf.
bb) Bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Unfallgegners ist der Haftpflichtversicherer vertraglich verpflichtet, unberechtigt geltend gemachte Ansprüche abzuwehren, die gegen seinen VN erhoben werden. Der Geschädigte und der Haftpflichtversicherer des Schädigers stehen sich gleichsam als Gegner gegenüber. Sie verbindet allein ein gesetzliches Schuldverhältnis. Der VR darf einen geltend gemachten Schaden mit Nichtwissen bestreiten, der Geschädigte hat das Entstehen und den Umfang eines Sachschadens i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG darzulegen und zu beweisen (BGH, Beschl. v. 15.1...