Bei den folgenden Fallbeispielen haben die Gerichte aufgrund der konkreten Beschilderung und den weiteren Umständen am Messort das Vorliegen von Regelfällen angenommen:

Fall 1, AG Ratzeburg – 33 OWi 11748/18: 23 km/h-Verstoß innerorts (zwei Voreintragungen: 22 km/h und 17 km/h mit Anhänger), Verteidigung trägt vor: Messung laut Messbeamten ca. 110 bis 120 m vor Ortsausgangsschild und aufgelockerte Bebauung beim Messort reduziert Fahrlässigkeitsgrad. Urteil: 80 EUR, weil der Messort laut Vernehmung des Messbeamten noch einen innerörtlichen Charakter aufweist, kurz nach einer Kreuzung liegt und das Ortsausgangsschild vom Messort zu sehen ist.

Fall 2, AG Ratzeburg – 31 OWi 761 Js 49763/18: 21 km/h-Verstoß außerorts (BAB) bei zulässigen 120 km/h, Verkehrszeichen beidseitig, aber ohne Wiederholung, eine Voreintragung mit 32 km/h innerhalb ein Jahr zuvor, Urteil: 70 EUR, "der Bußgeldkatalog will eine Standardisierung, deshalb ist auch beim unteren Rand des Verstoßrahmens die Regelbuße festzusetzen", Art. 3 GG fordere Gleiches gleich zu behandeln. Ein Verstoß auf einer BAB sei nicht anders zu behandeln als auf einer Landstraße, da auf einer BAB mehr Autos unterwegs seien. Ein beidseitiges Verkehrszeichen ohne Wiederholung genüge, um eine Möglichkeit des Erkennens zu schaffen.

Fall 3, AG Wismar – 182 Js 19743/17 – 15 OWi 323/17: 21 km/h-Verstoß außerorts (Bundesstraße), keine Voreintragungen, Verkehrszeichen einseitig und ohne Wiederholung. Urteil: 70 EUR, weil nur bei Autobahnen beidseitige Verkehrszeichen und Wiederholung erforderlich, bei Bundes- und Landstraßen bestehe bei einseitiger Beschilderung oder fehlender Wiederholung kein Grund von der Regelbuße nach unten abzuweichen.

Fall 4, AG Bad Segeberg – 8 OWi 552 Js 6111/18 (108/18): 25 km/h-Verstoß außerorts (BAB), keine Voreintragung, Verkehrszeichen beidseitig, aber ohne Wiederholung, falls die Betroffene von der letzten Auffahrt vor der Messstelle gekommen sein sollte, Urteil: 70 EUR, Gericht geht von normaler Fahrlässigkeit aus, weil das Wiederholungsverkehrszeichen von der Messstelle aus in 300 m Entfernung schon zu sehen gewesen sei.

Fall 5, AG Eutin – 35 OWi 753 Js 34652/17 (127/17): 21 km/h-Verstoß außerorts (Landstraße), einseitiges Verkehrszeichen rechts hinter einer Brücke, strittig blieb, ob die Messung in einer leichten Rechtskurve erfolgte. Urteil: 70 EUR, Regelbuße, da einseitige Beschilderung auf Land- und Bundesstraße genügen soll, falls die Messung in einer Kurve erfolgt, wäre die Kurve ein zusätzliches Warnsignal, weshalb durchschnittliche Fahrlässigkeit anzunehmen sei. Anmerkung: Das Gericht neigte zunächst deutlich dazu, die Geldbuße auf unter 60 EUR festzusetzen, was sich nach Erwähnung des Messbeamten, dass es sich hier um einen tödlichen Unfallschwerpunkt handele, sofort änderte.

In anderen Fällen wurde für die Begründung, einen Regelfall anzunehmen, weniger Aufwand geleistet:

Fall 6, AG Oldenburg i.H. – 75 OWi 752 Js 18385/19: 21 km/h-Verstoß innerhalb, keine Voreintragungen, hinter beidseitigem Ortsschild aber noch ohne Bebauung, Urteil: 80 EUR, ist wegen beidseitiger Beschilderung und vorangegangener Höchstgeschwindigkeit von maximal 70 km/h ein Regelfall, auch wenn die Eintragungsgrenze nur knapp erreicht wird, "irgendwo muss die Grenze ja sein".

Deutlich schwerer nachvollziehbar war diese sehr formale Betrachtungsweise im folgenden Fall:

Fall 7, AG Oldenburg i.H. – 75 OWi 752 Js 4881/19: 21 km/h-Verstoß außerhalb, keine Voreintragungen, Betroffener ortsunkundig, Verkehrszeichen einseitig und ohne Wiederholung, drei kleine Kinder im Auto, die unruhig waren, Urteil: 70 EUR, somit ein Punkt, weil "Regelfall nach Bußgeldkatalog".

Kritik: Wenn Fälle 5 und 7 Regelfälle sein sollen, stellt sich die Frage, welche theoretische Fallkonstellation könnte überhaupt dazu führen, etwas weniger Schwerwiegendes als einen Regelfall anzunehmen? Die Prämisse, dass Verstöße, die innerhalb des Rahmens von 21-25 km/h liegen, immer oder auch nur grundsätzlich "gleich" seien, ist falsch. Der Begriff der Regelbuße deutet schon sprachlich darauf hin, dass Ausnahmen von Standardsituationen bei der Sanktionsfestsetzung zu berücksichtigen sind. Bleiben diese Sonderumstände unberücksichtigt, liegt eine Gleichbehandlung von Ungleichem vor.

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