1. Unfallschwerpunkt
Fall 25, AG Dannenberg – NZS 10 OWi 5202 Js 14000/14 (432/14): 21 km/h-Verstoß außerhalb, keine Voreintragungen, Darlegungen zu einem Augenblicksversagen des ortsunkundigen Betroffenen waren für das Gericht weniger gewichtig als der Umstand, dass hier ein besonderer Unfallschwerpunkt vorliege, Urteil: 80 EUR Bußgeld.
2. Autobahn nach Auffahrt
Fälle 26 und 27:
Den folgenden beiden Fällen liegen Messungen an derselben Messstelle an unterschiedlichen Tagen zu Grunde. Auf einer Autobahn mit 60 km/h Höchstgeschwindigkeit wurde nach Schätzungen der Messbeamten ca. 50 bis 80 m nach einer Einfädelungsspur gemessen. Das Verkehrszeichen befand sich jedoch vor der Einfädelungsspur. Die Messbeamten gingen davon aus, dass niemand mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als 60 km/h von der Einfädelungsspur auf die Autobahn gefahren sein kann, und falls doch, würden sie anhand der Position auf dem Messfoto abschätzen können, ob der Betroffene von der Einfädelungsspur gekommen wäre oder sich schon vorher auf der Autobahn befunden haben musste und deshalb auch das Verkehrszeichen vor der Messstelle hätte wahrnehmen können.
Fall 26, AG Ratzeburg – 6 OWi 761 Js-OWi 32124/17 (240/17): 23 km/h-Verstoß, keine Voreintragungen. Argumentation der Verteidigung: die Einschätzung des Messbeamten, dass bei der gemessenen Geschwindigkeit eine Einfädelung vor der Auffahrt erfolgt sei, genüge nicht, weshalb ein Beweisbeschluss für ein SV-Gutachten erforderlich sei. Beschluss: Einstellung des Verfahrens gem. § 47 Abs. 2 OWiG.
Fall 27, AG Ratzeburg – 34 OWi 761 Js 56477/18: Aufgrund der Verteidigungsvorträge in dem vorgenannten (und weiteren) Fällen wurde die Beschilderung auf der Auffahrt zur Bundesstraße ergänzt und einseitig ohne Wiederholung ein Verkehrszeichen mit 60 km/h-Höchstgeschwindigkeit aufgestellt. Nach der Aufstellung übertrat der Betroffene mit einer Voreintragung die Geschwindigkeit mit 21 km/h. Urteil: 70 EUR, weil vor dem 60 km/h-Schild ein Ortsschild steht und wegen der Voreintragung.
3. Bundesstraße durch Stadtteil
Fälle 28 bis 32:
Es handelt sich um eine vierspurige Bundesstraße mit autobahnähnlichem Mittelstreifen, die allerdings einige hundert Meter durch innerörtliche Bebauung führt, weshalb die Höchstgeschwindigkeit aus Lärmschutzgründen auf 60 km/h reduziert ist. Diese Messstelle weißt eine hohe Zahl von Verstößen durch Ortsunkundige aus, obwohl die Strecke beidseitig getrichtert ist (100-80-60), Richtung Süden aber in der letzten Stufe ohne Wiederholung mit einer Auffahrt in Höhe des 60 km/h-Schildes. Den typischen Verstößen, die von dieser Messstelle zur gerichtlichen Entscheidung gelangen, liegen Geschwindigkeiten (nach Toleranzabzug) von 81 bis 90 km/h zu Grunde, was dafür spricht, dass die Betroffenen von einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgingen, bei der sie die Mess- und Verfolgungstoleranz antizipierten.
Die sehr große Zahl von Fällen mit einem Vorwurf einer 21 bis 25 km/h Überschreitung, von der beispielhaft die folgenden genannt werden, führte bei verschiedenen Bußgeldrichtern des AG Lübeck zu einer sehr schematischen Annahme des Regelfalls, völlig unabhängig von den konkreten Umständen:
Fall 28, AG Lübeck – 66 OWi 751 Js 47090/16 (143/16): 23 km/h-Verstoß ortsunkundiger Betroffener mit einer einschlägigen Voreintragung: Urteil: 70 EUR.
Fall 29, AG Lübeck – 62 OWi 751 Js 38618/17 (30/17): 23 km/h-Verstoß, keine Voreintragungen, Urteil: 70 EUR.
Fall 30, AG Lübeck – 61 OWi 751 Js 34215/17 (95/17): 24 km/h-Verstoß, Fahrt in Richtung Süden, mit dem Vortrag, dass der Betroffene vor der Auffahrt die 60 km/h Verkehrsschilder nicht wahrgenommen hat, weil er sich zur Einfädelung auf den Verkehr auf der Bundesstraße konzentrieren musste, Urteil: 70 EUR.
Fall 31, AG Lübeck – 66 OWi 751 Js 55791/18: 21 km/h-Verstoß in Richtung Süden ohne Voreintragungen, Urteil: 70 EUR mit der Begründung "irgendwo muss die Grenze sein und die ist bei 21 km/h", deshalb macht diese Richterin nach eigener Aussage nie Ausnahmen bei Geschwindigkeitsverstößen, wohl aber bei Rotlichtverstößen, wenn besondere Umstände vorliegen (was vom Verfasser bestätigt werden kann).
Fall 32, AG Lübeck – 64 OWi 750 Js 43432/19: 21 km/h-Verstoß Richtung Süden, keine Voreintragungen, Betroffener ortsunkundig, Urteil: 70 EUR Regelbuße, in dieser Fahrrichtung sei tatsächlich von leichterer Fahrlässigkeit als in der Gegenrichtung auszugehen, aber es liege keine so wesentliche Abweichung vom Regelfall vor, dass ein Abweichen von der Regelbuße geboten sei, auch wenn der Verstoß nur gerade eben im Punktebereich liegt, "jede Grenze hat einen Hauch von Willkür. Wir kommen aber nicht ohne aus."