"Die Beschwerde gegen den Beschl. des VG [VG Göttingen, Beschl. v. 15.9.2020 – 1 A 237/20], mit dem es die Rechtssache nach § 17a Abs. 2 S. 1 GVG an das AG als das für Bußgeldsachen zuständige Gericht verwiesen hat, ist im Ergebnis unbegründet."

Der Kl. führt, anders als vom VG offenbar missverstanden, allerdings keinen Rechtsbehelf i.S.v. § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG gegen die straßenverkehrsrechtliche Verwarnung, der – obgleich nicht statthaft – dem Bußgeldverfahren zuzuordnen sei, sondern macht nach seinem insoweit eindeutigen Vorbringen einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Rückzahlung eines von ihm am 2.7.2020 gezahlten Verwarnungsgeldes i.H.v. 55 EUR geltend, den er mit der Nichtigkeit der 54. Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung vom 20.4.2020 wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG) begründet.

Bei dem vom Kl. geltend gemachten Rückerstattungsanspruch aufgrund der – seines Erachtens rechtsgrundlosen – Zahlung eines Verwarnungsgeldes handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art i.S.v. § 40 Abs. 1 VwGO. Maßgeblich für die Bestimmung des Rechtsweges ist indes die Natur des streitigen Rechtsverhältnisses und nicht dessen rechtliche Einordnung durch die Partei (BVerwG, Beschl. v. 31.5.2011 – 8 AV 1/11, juris Rn 16), so dass auch für die Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründet sein kann (siehe z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.11.2012 – V-4 Kart 3/12, juris Rn 36; AG Potsdam, Urt. v. 30.10.2009 – 35 C 106/08, juris Rn 16). Nach § 40 Abs. 1 VwGO sind für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten die Verwaltungsgerichte zuständig, soweit die Streitigkeit nicht durch eine abdrängende (bundesgesetzliche) Sonderzuweisung einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Eine derartige Zuweisung an das AG, in dessen Bezirk die für das Bußgeldverfahren zuständige Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat, wird hier durch § 68 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 62 OWiG begründet.

Die im OWiG geregelte Verwarnung selbst ist ein Verwaltungsakt (BVerfG, Beschl. v. 4.7.1967 – 2 BvL 10/62, juris Rn 25; BVerwG, Beschl. v. 25.3.1966 – VII C 157/64, NJW 1966, 1426 u. v. 25.3.1966 – VII C 111.65, BeckRS 1966, 31301785). Nach der Rspr. des BVerwG gehört die Verwarnung mit Verwarnungsgeld allerdings zum Bußgeldverfahren im weiteren Sinne, mit der Folge, dass die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Verwarnung nach den genannten Vorschriften dem AG zugewiesen ist (BVerwG, Beschl. v. 5.3.1993 – 11 ER 400/93, juris Rn 4). Bereits in seiner Entscheidung v. 27.9.1962 hat das BVerwG zudem ausgeführt, dass den Amtsgerichten nicht nur die Entscheidung über die Anfechtung nicht rechtskräftiger Bußgeldbescheide übertragen, sondern ihre Zuständigkeit auch in den Fällen begründet ist, in denen die Festsetzung eines Bußgeldes im Unterwerfungsverfahren formell rechtskräftig geworden ist, von dem Betr. aber die Nichtigkeit der Unterwerfung geltend gemacht wird (BVerwG, Urt. v. 27.9.1962 – I C 51.61, juris Rn 8 ff.).

Das BVerwG hat zwar 1987 entschieden, dass die anderweitigen Zuweisungen nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz, wie auch aus § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG ersichtlich sei, voraussetzen, dass sie sich auf ein schwebendes Bußgeldverfahren beziehen (BVerwG, Beschl. v. 7.5.1987 – 3 C 53/85, juris Rn 18). Überwiegender Auffassung entspricht auch, dass bei behördlichen Maßnahmen im Vorfeld eines Bußgeldverfahrens (“Drohen eines Straf- oder Bußgeldverfahrens') eine Feststellungs- oder Unterlassungsklage bei den Verwaltungsgerichten zulässig sein kann (BVerwG, Urt. v. 13.1.1969 – I C 86.64, juris Rn 18; OVG Bremen, Beschl. v. 12.1.2012 – 1 B 289/11, juris Rn 8; OVG NRW, Urt. v. 31.1.1996 – 13 A 6644/95, juris Rn 1; a.A. VG Oldenburg, Beschl. v. 28.6.2012 – 7 A 4182/12, juris Rn 8 unter Hinweis auf VG Stuttgart, Beschl. v. 18.8.2006 – 10 K 4317/05, juris Rn 8; abw. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.4.2014 – 12 S 23.14, juris Rn 2 = Speicherung von Fotos), auch wenn hieraus keine Bindungswirkung für das Straf- und Bußgeldverfahren erwächst (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.1.1969 – I C 86.64, juris Rn 19). Kennzeichnend für diese Fallgestaltungen ist, dass eine Klärung der Rechtmäßigkeit und des Umfangs der sich aus der Verbotsnorm ergebenden Pflichten angestrebt wird. Für Rechtsbehelfe, die nach Abschluss eines Bußgeldverfahrens anhängig gemacht werden, wird in der Instanzrechtsprechung, ebenso wie bei Klagen während eines laufenden Bußgeldverfahrens (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 31.3.2016 – 3 O 66/16, juris Rn 3, 6 u. v. 22.4.2010 – 1 O 63/10, juris Rn 6), jedoch ganz überwiegend die Zuständigkeit der Amtsgerichte angenommen (vgl. z.B. BayVGH, Urt. v. 9.5.1985 – 26 B 85 A. 505, BayVBl. 1986, 244; VG München, Beschl. v. 5.2.2020 – 28 K 19.5754, juris Rn 5, 13 f.; VG Saarland, Beschl. v. 27.5.2013 – 10 K 548/13, juris Rn 1 f.; VG Braunschweig, Beschl. v. 28.8.2006 – 6 A 228/06, juris Rn 2 f.).

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