VVG § 28 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 § 30; AKB E.1.1.1.
Leitsatz
1. Die Anzeigeobliegenheit in der Kaskoversicherung verlangt, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen angibt, deren Kenntnis es ihm ermöglicht, in die Prüfung seiner Eintrittspflicht einzutreten und gegebenenfalls Maßnahmen der Schadenabwendung oder -minderung zu ergreifen.
2. Will der Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis führen, genügt der Versicherer seiner sekundären Darlegungslast nicht mit der pauschalen Behauptung des Verlusts eigener Erkenntnismöglichkeiten.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Dresden, Beschl. v. 7.12.2020 – 4 U 1691/20
1 Aus den Gründen:
"… 2. Die Berufung der Bekl. auf eine Obliegenheitsverletzung schließt die Leistungspflicht ebenfalls nicht aus."
a) Dem Kl. fällt allerdings ein Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit (Ziff. E. 1.1.1 AKB) zur Last. Nach den von den Parteien zwar nicht vorgelegten, zwischen ihnen aber unstreitig vereinbarten AKB ist der Versicherungsfall innerhalb einer Woche anzuzeigen. Die vom VN zu erstattende Anzeige muss die Tatsachen umfassen, deren Kenntnis es dem VR ermöglicht, in die Prüfung seiner Leistungspflicht einzutreten und ggf. notwendige Maßnahmen der Schadenabwendung und -minderung zu ergreifen. Erforderlich ist damit die Mitteilung der wesentlichen Umstände, aus denen sich der Eintritt des Versicherungsfalls ergibt, nicht aber darüber hinaus eine umfassende Darstellung aller Umstände, die für die Eintrittspflicht des VR von Relevanz sind. Mit der Erfüllung seiner Anzeigeobliegenheit hat der VN den VR von sich aus soweit zu informieren, dass dieser Ermittlungen zur Prüfung und Feststellung seiner Leistungspflicht treffen kann. Dies bedeutet, dass es regelmäßig nicht ausreicht mitzuteilen, dass sich ein Versicherungsfall ereignet hat – es sind vielmehr die wesentlichen, den Versicherungsfall begründenden Tatsachen mitzuteilen, einschließlich der Angaben zu Ort und Zeit und der Bezugnahme auf einen bestimmten Versicherungsvertrag (HK-VVG/Halbach, 4. Aufl. 2020, AKB 2015 E. Rn 2). Dass die telefonische Mitteilung der Assistentin des Kl., die sich auf die kurze Mitteilung der Entwendung beschränkte, ohne diese nach Ort und Zeit näher zu umreißen, diesen Anforderungen nicht genügt, ist zwischen den Parteien unstreitig und wird auch vom zutreffend unterstellt. Nach E.1.3.1 AKB war die Entwendung des Fahrzeugs überdies abweichend von E.1.1.1 in Textform anzuzeigen, worauf sich die Bekl. freilich nicht berufen hat.
Zu Recht hat das LG aber eine vorsätzliche Verletzung dieser Anzeigeobliegenheit verneint. Insoweit genügt bedingter Vorsatz, der nach allgemeinen Regeln vorliegt, wenn der VN die Obliegenheitsverletzung für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt, also nicht ernsthaft darauf vertraut, dass der Erfolg ausbleiben werde (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 30. Aufl. 2015, § 28 Rn 188; …). Angesichts der hier gegebenen Umstände ist das LG zutreffend davon ausgegangen, dass die Bekl. der sie auch insoweit treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht genügt hat. Dass der Kl. davon ausging, mit der telefonischen Meldung durch seine Angestellte seiner Anzeigeobliegenheit bereits genügt zu haben, sich nicht darum kümmerte, was die Assistentin der Bekl. im einzelnen mitgeteilt hatte und sich auch in der Folgezeit nicht um eine Konkretisierung seiner Angaben bemüht hat, stellt sich auch für den Senat nicht als vorsätzlicher, sondern lediglich als grob fahrlässiger Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit dar, unabhängig davon, ob der Kl. an weiteren Angaben durch seine Erkrankung gehindert war.
Keinen Erfolg hat die Berufung der Bekl. auch insoweit, als sie sich gegen die Auffassung des LG wendet, dem Kl. sei der ihm obliegende Kausalitätsgegenbeweis gem. § 28 Abs. 3 S. 1 VVG geglückt. Verhindert der VN eigene Feststellungen des VR, indem er etwa den Schaden dem VR nicht unverzüglich meldet, muss der VN grds. ausschließen, dass vom VR veranlasste oder durch Dritte getroffene Feststellungen zu keinem anderen, für diesen vorteilhafteren Ergebnis geführt hätten. Kann er dies nicht, ist der Kausalitätsgegenbeweis nicht geführt. Allerdings muss der VR im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast zunächst vorbringen, was er bei rechtzeitiger Meldung getan hätte, es sei denn, sein Vorgehen liegt auf der Hand (BeckOK VVG/Marlow, 8. Ed. 1.8.2020, VVG § 28 Rn 192). Allein mit der pauschalen Behauptung des Verlusts eigener Erkenntnismöglichkeiten genügt der VR dieser sekundären Darlegungslast nicht, weil nicht bereits ein irgendwie gearteter Einfluss der Obliegenheitsverletzung auf den Gang des Feststellungsverfahrens den Kausalitätsgegenbeweis ausschließt. Wenn – wie hier – unstreitig ist, dass der VN einen Diebstahl unmittelbar bei der Polizei angezeigt hat, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aber nicht zum Erfolg geführt haben, genügt der VN seiner Darlegungslast bereits dann, wenn er auf die staatsanwaltlichen Ermittlungen und Feststellungen hinweist. Es ist dann Sache des VR darzulegen, welche Maßnahmen bei rechtzeitiger Anzeige ergri...