OWiG § 29a
Leitsatz
Es steht im Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob sie bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit ein Bußgeld verhängt oder die Einziehung von Taterträgen anordnet.
OLG Oldenburg, Beschl. v. 4.10.2021 – 2 Ss (OWi) 150/21
Sachverhalt
Gegen den Fahrzeugführer hat der Landkreis einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes verhängt und gegen die Einziehungsbeteiligte die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen in Höhe von 371 EUR angeordnet. Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht von der Anordnung einer Einziehung nach § 29a OWiG abgesehen. Es hat dies damit begründet, dass gegen die Einziehungsbeteiligte ein Bußgeldverfahren hätte durchgeführt werden können. Das Amtsgericht stützt sich dabei auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt vom 1.7.2019 (Ss-OWi 1077/18, juris). Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft Oldenburg mit ihrem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Entscheidung des OLG Frankfurt um eine Mindermeinung handele, während die überwiegende Meinung davon ausgehe, dass der Bußgeldbehörde ein Ermessen dahingehend zustehe, ob sie den erlangten Vorteil über das Bußgeldverfahren oder über § 29a OWiG abschöpfe. Das OLG Oldenburg hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, die Sache auf den Senat übertragen, das Urteil des Amtsgerichts teilweise aufgehoben und zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
[…] Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Der Senat folgt der überwiegenden Ansicht (OLG Köln, BeckRS 2010, 7521; OLG Düsseldorf, NStZ 2014, 339; OLG Stuttgart, wistra 2012, 283; OLG Zweibrücken, NStZ 2020, 427; vgl. auch Göhler-Gürtler/Thoma, OWiG 18. Aufl., § 29a, Rn 1), wonach es der Bußgeldbehörde obliegt zu entscheiden, ob sie Tatvorteile über ein Bußgeldverfahren oder das Einziehungsverfahren abschöpft. Die vom OLG Frankfurt vertretene abweichende Ansicht ("sehr bedenkliche(r) Rückgriff der Verwaltungsbehörden auf § 29a OWiG") findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze, da Voraussetzung für die Eröffnung der Einziehung lediglich ist, dass eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Dass es auf den Grund der Nichtverhängung einer Geldbuße nicht ankommt, entspricht insoweit auch der Gesetzesbegründung zu § 29a OWiG a.F. (BT Drs 10/318 S. 37), wenn es dort heißt, dass die Anordnung des Verfalls auch dann möglich sein solle, wenn aus anderen Gründen als demjenigen, dass der Täter nicht vorwerfbar oder nicht ausschließbar vorwerfbar gehandelt habe, von der Festsetzung einer Geldbuße abgesehen werde. Hieran hat sich durch die Neufassung des § 29a OWiG nichts geändert.
Da der Erfolg einer Inanspruchnahme des Halters im Wege einer Geldbuße hier aber nicht so sicher gewesen sein dürfte, wie das Amtsgericht anzunehmen scheint, ist es nicht zu beanstanden, dass die Verwaltungsbehörde den Weg über die Anordnung der Einziehung gewählt hat.
Obwohl der Senat mit dieser Entscheidung vom OLG Frankfurt (a.a.O.) abweicht, kommt eine Divergenzvorlage nicht in Betracht, da die Ausführungen des OLG Frankfurt die dortige Entscheidung nicht getragen haben, sondern lediglich als Handhabungshinweis für die Amtsgerichte dienen sollten. Im konkreten Fall war nämlich nur eine Geldbuße gegen den Fahrer verhängt worden, gegen die dieser sich gewandt hatte.
Die zur Überladung getroffenen Feststellungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen und konnten deshalb aufrechterhalten werden.
Im Übrigen war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
zfs 4/2022, S. 234