Bei der "Gehwegparken-Klage" begehren die fünf Kl. ein Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde gegen das sogenannte aufgesetzte Gehwegparken in den von ihnen bewohnten Wohnstraßen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Gehwegparken gegen die StVO verstößt. Weder die Straßenverkehrsbehörde noch das Ordnungsamt schritten jedoch bisher dagegen ein.
Klagegegenstand ist die kl. Forderung, dass die Straßenverkehrsbehörde der Bekl. zur Behebung der derzeit in den streitgegenständlichen Straßen bestehenden Situation des verbotswidrigen Gehwegparkens tätig wird und sie haben beantragt,
1. den Bescheid des Amtes für Straßen und Verkehr vom 27.5.2019 … und den Widerspruchsbescheid des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr vom 12.8.2019 … aufzuheben,
2. die Bekl. zu verpflichten, a. innerhalb von drei Monaten Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, das regelmäßige Parken auf den Gehwegen in den Straßen M-Straße in Bremen (Kl. zu 1. und 2.), B-Straße in Bremen (Kl. zu 3. und 4.) und T-Straße in Bremen (Kl. zu 5.) zu unterbinden, b. die Wirksamkeit der Maßnahmen nach drei Monaten zu evaluieren, c. bei unzureichender Wirkung innerhalb von zwei Monaten weitere Maßnahmen zu ergreifen und d. in diesem Turnus fortzufahren, bis das Ziel, das regelmäßige Parken auf den Gehwegen in den oben genannten Straßen zu unterbinden, dauerhaft erreicht wird,
3. hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Ihr Begehren auf Ergreifen von "Maßnahmen" umfasst sowohl den Erlass von Verwaltungsakten als auch ein mögliches Tätigwerden durch Realakte. Vor diesem Hintergrund ist die Klage hinsichtlich des Antrages zu 1. zulässig (1.). Hinsichtlich des Antrages zu 2. ist sie unzulässig (2.), während das im Antrag zu 3. enthaltene Neubescheidungsbegehren zulässig ist (3.).
Mit Blick auf die sehr umfangreiche und umfassend begründete Entscheidung des OVG Bremen wird hier neben den amtlichen Leitsätzen die Pressemitteilung des OVG Bremen v. 3.3.2023 abgedruckt:
Zitat
Mit Urt. v. 13.12.2022 hat der 1. Senat des OVG der Freien Hansestadt Bremen die Straßenverkehrsbehörde verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des OVG erneut über den Antrag von Anwohnern zu entscheiden, die ein straßenverkehrsbehördliches Einschreiten gegen die in den von ihnen bewohnten Straßen bestehende Praxis des aufgesetzten Gehwegparkens begehren. Die Anwohner haben einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, wenn der Gehweg in seiner Funktion beeinträchtigt wird. Eine solche Funktionsbeeinträchtigung liegt vor, wenn durch das aufgesetzte Parken auf den Gehwegen nicht mehr genügend Platz für einen ungehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr verbleibt.
Die Kl. waren bzw. sind Eigentümer und Bewohner von Wohnhäusern in den bremischen Stadtteilen Östliche Vorstadt, Neustadt und Findorff. In den von den Kl. bewohnten Straßen wird seit Jahren auf beiden Straßenseiten aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt, obwohl dies nicht durch Verkehrszeichen erlaubt wurde. Der Antrag der Kl. auf Einschreiten gegen diesen verkehrsordnungswidrigen Zustand wurde von der Straßenverkehrsbehörde abgelehnt. Mit ihrer Klage machten die Kl. geltend, dass die Straßenverkehrsbehörde geeignete Maßnahmen gegen das aufgesetzte Gehwegparken ergreifen und diese anschließend evaluieren müsse.
Dem ist das VG Bremen in der ersten Instanz (5 K 1968/19) im Wesentlichen gefolgt und hat festgestellt, dass die Kl. als Anwohner von Straßen, in denen nicht nur vereinzelt, sondern dauerhaft verkehrsordnungswidrig auf den Gehwegen geparkt werde, berechtigt seien, von der Straßenverkehrsbehörde ein Einschreiten zu verlangen. Das OVG hat diese Entscheidung im Kern bestätigt, der Straßenverkehrsbehörde aber ein größeres Ermessen bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen eingeräumt. Dabei hat es sich von folgenden Erwägungen leiten lassen: Das aufgesetzte Parken verstößt gegen das aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO abzuleitende Verbot, Gehwege ohne spezielle Erlaubnis zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu nutzen. Dieses allgemeine Verbot des Gehwegparkens wird in den Wohnstraßen der Kl. offensichtlich nicht beachtet. Hiergegen kann die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes straßenverkehrsrechtliche Anordnungen treffen. Grundsätzlich liegen auch die Voraussetzungen für die Durchführung von Abschleppmaßnahmen vor.
Die Parkvorschriften in § 12 Abs. 4 und 4a StVO dienen in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit grundsätzlich dem Interesse der Allgemeinheit. Das OVG geht jedoch davon aus, dass dem Verbot des Gehwegparkens auch eine individualschützende Funktion zukommt, da es erkennbar den Interessen derjenigen dient, die den Gehweg zulässigerweise benutzen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser Individualschutz in jedem Fall, d.h. unabhängig vom Grad der Beeinträchtigung, gewährt werden müsste. Vielmehr besteht ein solch...