RVG § 7 § 15 § 23 Abs. 1 S. 1 § 33 Abs. 1; GKG § 47 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
Leitsatz
1. Wendet sich Verteidiger des Angeklagten im Revisionsverfahren gegen die im Adhäsionsverfahren erfolgte Verurteilung, an zwei Adhäsionskläger verschiedene Beträge zu zahlen, ist für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich, der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergibt.
2. Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen. Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt ist (§ 47 Abs. 2 S. 1 GKG).
3. Dabei ist auch der Wert der Aussprüche über die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige materielle Schäden der Adhäsionskläger zusätzlich (hier mit einem Betrag von 2.500 EUR je Adhäsionskläger) zu berücksichtigen.
4. Die Feststellungsaussprüche, wonach die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren, erhöhen den Gegenstandswert nicht, weil insoweit wirtschaftliche Identität mit den auf Vorsatztaten beruhenden Schmerzensgeldaussprüchen besteht. (Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 7.11.2022 – 6 StR 124/22
1 Sachverhalt
Das LG Neuruppin hatte den Angeklagten im Adhäsionsverfahren verurteilt, Schmerzensgeld an die beiden Geschädigten zu zahlen, und zwar an die Adhäsionsklägerin S. K. in Höhe von 2.000 EUR und an den Adhäsionskläger M. K. in Höhe von 12.000 EUR. Außerdem hatte es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, beiden Adhäsionsklägern künftige materielle Schäden zu ersetzen, die aus den abgeurteilten Taten entstehen, und dass die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte unbeschränkt Revision eingelegt. Der BGH hat durch Beschl. v. 3.5.2022 – 6 StR 124/22 – die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Adhäsionsaussprüche hat der BGH klargestellt, dass die festgestellte Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige Schäden der Adhäsionskläger nur materielle Schäden betrifft. Ferner hat der BGH die Kosten des Rechtsmittels, die den Neben- und Adhäsionsklägern dadurch entstandenen notwendigen Auslagen und die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Revisionsinstanz dem Angeklagten auferlegt.
Der dem Angeklagten beigeordnete Verteidiger hat gem. § 33 Abs. 1 RVG beantragt, den Gegenstandswert seiner Tätigkeit im Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz betreffend die Adhäsionsklägerin S. K. festzusetzen. Der BGH hat den Gegenstandswert für die Tätigkeit des Verteidigers betreffend beide Adhäsionskläger festgesetzt.
2 Aus den Gründen:
[2] "Der Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren ist dahin auszulegen, dass er sich auf beide Adhäsionskläger bezieht (§ 300 StPO). Tritt der Verteidiger – wie hier – im Adhäsionsverfahren den Anträgen mehrerer Adhäsionskläger entgegen, ist für die Gebührenberechnung der Gesamtgegenstandswert maßgeblich (vgl. OLG Düsseldorf, AGS 2017, 460 = RVGreport 2017, 375 (Burhoff) = NStZ-RR 2017, 296), der sich aus einer Zusammenrechnung der Gegenstandswerte der einzelnen Adhäsionsanträge ergibt (vgl. Volpert in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6.. Aufl. 2021; Teil A “Mehrere Auftraggeber (§ 7, Nr. 1008 VV)' Rn 1590 m.w.N.)."
[3] Für die beantragte Wertfestsetzung ist nach § 1 Abs. 3 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG der Berichterstatter als Einzelrichter zuständig (vgl. BGH, Beschl. v. 9.8.2021 – GSZ 1/20; v. 18.8.2021 – 1 StR 363/18, zfs 2021, 642 m. Anm. Hansens = AGS 2021, 471 (Hansens)).
[4] Der Gegenstandswert von Adhäsionsanträgen bestimmt sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Antragsteller, insbesondere nach den in den Anträgen genannten Beträgen (vgl. MüKo-StPO/Maier, § 472a Rn 28). Im Rechtsmittelverfahren ist gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG der Antrag des Rechtsmittelführers maßgeblich, wobei der Wert durch denjenigen des Streitgegenstands im ersten Rechtszug beschränkt ist (§ 47 Abs. 2 S. 1 GKG).
[5] Danach beläuft sich der Gesamtgegenstandswert hier auf 19.000 EUR. Er ergibt sich aus den zuerkannten Schmerzensgeldbeträgen von 2.000 EUR und 12.000 EUR sowie dem Wert der Aussprüche über die Feststellung der Ersatzpflicht des Angeklagten für künftige materielle Schäden der Adhäsionskläger, den der Senat in Anbetracht der sich aus den Urteilsgründen ergebenden Umstände – ebenso wie das Landgericht für das erstinstanzliche Verfahren – mit jeweils 2.500 EUR bemisst. Die Feststellungsaussprüche, wonach die Ansprüche der Adhäsionskläger aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Angeklagten herrühren, erhöhen den Gegenstandswert nicht, weil insoweit wirtschaftliche Identität mit den auf Vorsatztaten beruh...