ZPO § 101 Abs. 1 § 319 Abs. 1 § 321 Abs. 1 und 2
Leitsatz
1. Hat das Prozessgericht eine gem. § 101 Abs. 1 ZPO erforderliche Entscheidung über die Kosten des Streithelfers versehentlich unterlassen, kann diese im Wege der Berichtigung gem. § 319 Abs. 1 ZPO nur dann nachgeholt werden, wenn das Versehen des Gerichts "offenbar" ist.
2. Diese Voraussetzung liegt nur dann vor, wenn sich das Versehen aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen hin deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist.
3. Hierzu reicht die bloße Erwähnung des Streithelfers im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung nicht aus, um von einer offenbaren Unrichtigkeit der Kostenentscheidung ausgehen zu können. (Leitsatz der Schriftleitung).
BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – III ZR 69/21
1 Sachverhalt
Der III. ZS des BGH hatte durch Beschl. v. 28.7.2022 die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurückgewiesen und ihr gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Im Rubrum dieses Beschlusses war auch die Streithelferin der Klägerin aufgeführt. Eine Entscheidung gem. § 101 Abs. 1 ZPO über die Kosten der Streithelferin der Klägerin hatte der BGH hingegen nicht getroffen. Der Zurückweisungsbeschluss ist dem vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Streithelferin am 2.8.2022 zugestellt worden. Mit seinem am 21.12.2022 beim BGH eingegangenen Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Streithelferin beantragt, den Beschluss des Senats vom 28.7.2022 gem. § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass der Beklagten auch die Kosten der Streitverkündung auferlegt werden.
Der BGH hat diesen Antrag abgelehnt.
2 Aus den Gründen:
II.
[2] …“Der Antrag ist abzulehnen.
[3] 1. Eine Berichtigung entsprechend § 319 Abs. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Zwar ist eine solche Berichtigung grundsätzlich auch im Falle einer versehentlich unterbliebenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe möglich. Erforderlich dafür ist aber, dass eine versehentliche Abweichung des vom Gericht Erklärten von dem von ihm Gewollten vorliegt, die zudem "offenbar" ist, sich also aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne weiteres erkennbar ist (vgl. nur BGH, Beschl. v. 8.7.2014 – XI ZB 7/13, zfs 2015, 43 m. Anm. Hansens; vom 1.3.2016 – VIII ZR 287/15, zfs 2016, 523 m. Anm. Hansens = AGS 2016, 541 und v. 16.1.2020 – I ZR 80/18, juris Rn 3, jeweils m.w.N.).
[4] Gemessen daran ist das Versehen des Senats, im Tenor des Zurückweisungsbeschlusses nicht auszusprechen, dass der Beklagten auch die Kosten der Streithelferin gemäß § 101 Abs. 1 ZPO auferlegt werden, nicht "offenbar", da es an einem nach außen getretenen Anhaltspunkt für eine Willensabweichung fehlt. Ein solcher Anhaltspunkt kann beispielsweise darin liegen, dass eine Kostenentscheidung ganz unterblieben ist oder in den Gründen der betreffenden Entscheidung zu den Kosten der Streithelferin etwas ausgeführt oder die Vorschrift des § 101 Abs. 1 ZPO benannt wird, was hier jeweils nicht der Fall ist. Allein die Erwähnung der Streithelferin im Rubrum des Senatsbeschlusses genügt dagegen nicht, um von einer offenbaren Unrichtigkeit der Kostenentscheidung im Sinne des >§ 319 Abs. 1 ZPO ausgehen zu können (vgl. nur BGH, Beschl. v. 16.4.2013 – II ZR 297/11, AGS 2013, 356; v. 8.7.2014, a.a.O.; v. 1.3.2016, a.a.O. und v. 16.1.2020, a.a.O., jeweils m.w.N.).
[5] 2. Eine Umdeutung des Antrags in einen solchen auf Ergänzung des Zurückweisungsbeschlusses analog § 321 Abs. 1 ZPO scheidet aus, da die Streithelferin die Einbeziehung ihrer Kosten in die Kostenentscheidung erst nach Ablauf der in § 321 Abs. 2 ZPO vorgesehenen zweiwöchigen Frist beantragt hat.“
3 Anmerkung:
Mit nur wenigen Sätzen hat der BGH zutreffend ausgeführt, dass ihm die Korrektur seines eigenen Versehens, es unterlassen zu haben, gem. § 101 Abs. 1 ZPO auch über die Kosten der Streitverkündung zu entscheiden, nicht mehr möglich ist.
Unterlassene Entscheidungen
In der Hektik des Alltags kommt es leider nicht selten vor, dass Gerichte eine Entscheidung über einen Teil des ihnen unterbreiteten Sachverhalts vergessen. Das kann einen Teil der Hauptsache betreffen, aber auch eine Nebenentscheidung, etwa über die Zinsen oder die Kosten. In der Favoritenliste der vergessenen Kostenentscheidungen ganz oben steht die gem. § 101 Abs. 1 Hs. 1 ZPO gebotene Kostenentscheidung, nach der unter den dort bestimmten Voraussetzungen die durch eine Nebenintervention/Streitverkündung verursachten Kosten dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen sind. Wie der Beschluss des III. ZS des BGH und die von ihm herangezogenen weiteren Entscheidungen des BGH zeigen, ist auch der BGH vor derartigen Fehlern, die einem Bundesgericht eigentlich nicht passieren sollten, nicht gefeit. Ebenfalls auf der Liste der vergessenen Kostenentscheidungen steht beispielsweise die Entscheidung über die Mehrkosten bei Verweisung des Recht...