1.1 Schadenersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtung bei Schaden des Käufers (EuGH, Urt. v. 21.3.2023 – C – 100/21)
Der EuGH hat mit Urt. v. 21.3.2023 (C – 100/21) entschieden, dass der Käufer eines Kraftfahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegen den Fahrzeughersteller einen Anspruch auf Schadensersatz hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist. Das LG Ravensburg hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2007/46 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen (im Folgenden Rahmenrichtlinie) in Verbindung mit der Verordnung Nr. 715/2017 dahin auszulegen sei, dass sie die Einzelinteressen eines individuellen Käufers eines solchen Fahrzeugs schützen. Zudem wollte das LG wissen, ob es für die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts erforderlich ist, dass eine Anrechnung von Nutzungsvorteilen auf diesen Schadensersatzanspruch unterbleibt oder nur in eingeschränktem Umfang erfolgt. Nach dem Urteil des EuGH stellt die Rahmenrichtlinie eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs her, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt. Dementsprechend schützen nach Ansicht die EuGH die Bestimmungen der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit der Verordnung Nr. 715/2017 die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist. Die Mitgliedstaaten müssen daher vorsehen, dass der Käufer eines solchen Fahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat. Die Modalitäten für die Erlangung des Schadensersatzes seien durch die Mitgliedstaaten festzulegen. Das LG Ravensburg habe daher zu prüfen, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils eine angemessene Entschädigung für den Schaden gewährleiste, der dem Käufer tatsächlich durch den Einbau einer nach dem Unionsrecht unzulässigen Abschalteinrichtung in sein Fahrzeug entstanden sein soll. Im Ausgangsfall macht der Käufer gegen die Mercedes-Benz Group Schadensersatz wegen einer Software geltend, mit der die Abgasrückführung verringert wird, wenn die Außentemperaturen unter einem bestimmten Schwellenwert liegen (sog. Thermofenster).
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 51/23 v. 21.3.2023
1.2 Verhandlungstermin vor dem BGH zur Tatbestandswirkung der Typgenehmigung und zu unionsrechtlichen Folgeverfahren ("Diesel-Verfahren" – VIa ZR 335/21)
Der als Hilfsspruchkörper für Diesel-Verfahren eingerichtete VIa. Zivilsenat des BGH wird am 8.5.2023 in einem Revisionsverfahren zur Frage der Tatbestandswirkung einer uneingeschränkt gültigen EG-Typgenehmigung eines Fahrzeugs verhandeln. Zudem ist beabsichtigt, die sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C – 100/21 v. 21.3.2023 (siehe Beitrag links) möglicherweise ergebenden Folgerungen für das deutsche Haftungsrecht zu erörtern. Zum Redaktionsschluss lag das Ergebnis der Verhandlung noch nicht vor.
Quelle: Terminhinweis des BGH für den 8.5.2023 – www.bundesgerichtshof.de