Für die Feststellung des Vorsatzes bei Geschwindigkeitsverstößen muss das Tatgericht also Tatsachen feststellen, aus denen zweifelsfrei entnommen werden kann, dass entweder dem Betroffenen klar war, dass er eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat oder dass er dies jedenfalls billigend in Kauf genommen hat. Dabei wird für den Vorsatz keine positive Kenntnis von der exakten Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung verlangt. Vielmehr genügt, dass sich der Vorsatz auf die Geschwindigkeitsüberschreitung als solche bezieht, also eine ungefähre Vorstellung von der gefahrenen Geschwindigkeit besteht. Es genügt also das Wissen, schneller als erlaubt zu fahren.
Die Verurteilung wegen Vorsatzes bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn setzt zum einen Kenntnis von der bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkung und zum anderen Kenntnis von ihrer Überschreitung voraus. Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass (ordnungsgemäß aufgestellte) Vorschriftszeichen, auch solche, durch die eine Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit erfolgt, i.d.R. wahrgenommen werden und ein fahrlässiges Übersehen die Ausnahme darstellt. Daher braucht die Möglichkeit, dass der Betroffene das Vorschriftszeichen übersehen hat, nur in Rechnung gestellt zu werden, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben. Zwar kann das Tatgericht in aller Regel davon ausgehen, dass ordnungsgemäß aufgestellte Verkehrszeichen von einem aufmerksamen Verkehrsteilnehmer auch bemerkt werden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Betroffene nicht lediglich pauschal einwendet, das Verkehrszeichen übersehen zu haben oder andere greifbare Anhaltspunkte für ein solches Geschehen nicht vorliegen. Denn dann muss das Tatgericht durch auf den konkreten Fall bezogene Erwägungen begründen, weshalb er der Einlassung des Betroffenen nicht glaubt und davon ausgeht, dass der Betroffene das den konkreten Geschwindigkeitsvorwurf betreffende Schild wahrgenommen hat.
Der Regelvermutung steht der alleinige Umstand, dass die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch ein einmalig und einseitig aufgestelltes Vorschriftszeichen begrenzt war, nicht von vornherein entgegen. Anlass zur Prüfung des Vorliegens eines Ausnahmefalls besteht nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, z.B. bei einer die Wahrnehmung des Verkehrsschildes bestreitenden Einlassung des Betroffenen oder bei festgestellten besonderen Witterungs- oder Straßenverhältnissen zum Vorfallszeitpunkt.
Ausdrücklicher Feststellungen dazu, dass der Betroffene das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen 274 bemerkt hat, bedarf es im tatrichterlichen Urteil aber nicht. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Verkehrsteilnehmer geschwindigkeitsbeschränkende Vorschriftszeichen, welche ordnungsgemäß aufgestellt sind, auch wahrnehmen. Von dem Regelfall, dass der Betroffene die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung wahrgenommen hat, dürfen die Bußgeldstellen und Gerichte grundsätzlich ausgehen. Die Möglichkeit, dass der beschuldigte Verkehrsteilnehmer das die Beschränkung anordnende Vorschriftszeichen übersehen hat, brauchen sie nur dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder der Betroffene dies im Verfahren einwendet.
In erster Linie wird ein Vorsatz aus einem entsprechenden Geständnis des Betroffenen oder einer durch den Betroffenen unvorsichtig abgegebenen Einlassung entnommen werden können).
Räumt der Betroffene z.B. ein, er sei in Eile gewesen, habe die Strecke gekannt und habe auch seine Geschwindigkeitsüberschreitung erkannt, dann ist die Annahme eines Vorsatzes im Zusammenwirken dieser drei Indizien im Hinblick auf einen Geschwindigkeitsverstoß durch den Tatrichter rechtsfehlerfrei. Möglich ist das Erkennen der Geschwindigkeitsüberschreitung dabei u.a. aufgrund einer Beobachtung des Tachometers oder anhand einer auf eigenen Erfahrungswerten beruhenden Schätzung. Das Gericht wird dies natürlich jeweils nachvollziehbar in seinem Urteil darlegen müssen. Oftmals wird in Sachverhalten, die mit einer behaupteten Notstandslage/notstandsähnlichen Situation zu tun haben, Vorsatz anzunehmen sein. Zu denken ist etwa an ein kritisches Überholen, in dessen Rahmen die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird, um nicht mit entgegenkommendem Verkehr in Konflikt zu geraten. Auch das Wiedereinscheren in diesem Fall ohne zu bremsen kann zu einem vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoß führen.
Zwar kann regelmäßig aus einer kurzfristigen Unachtsamkeit mangels genügender Beobachtung des Verkehrsgeschehens ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte nicht auf eine vorsätzliche Tatbegehung geschlossen werden, denn denkbar ist auch, dass der Fahrzeugführer darauf vertraut hat, es verbleibe bei den zuletzt wahrgenommenen Verkehrsregelungen (hier bezüglich der zulässigen Höchstgeschwindigkeit). Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der Betroffene wegen vorangegangener, durch Aufmerksamkeit...