Zahlreiche der vorbenannten "vorsatzbejahenden" Entscheidungen weisen (den Tatrichter) i.d.R. darauf hin, dass der Vorsatz "nahe liege", ganz so, als sei es dessen Sache, nun den Vorsatz zu entkräften, will er trotz der revisionsrechtlichen Sichtweise lediglich Fahrlässigkeit annehmen. Besonders deutlich wird dies an einer Entscheidung des OLG Hamm, in der gar vom Tatrichter gefordert wird, er müsse bei einer innerorts erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 116 % und einer zusätzlich erfolgten absoluten Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h in einer Tempo-30-Zone für die Annahme ggf. vorliegenden fahrlässigen Handelns besondere Umstände feststellen.
Dass dies nicht sein kann, liegt m.E. auf der Hand, gilt doch immer noch der Grundsatz "in dubio" auch im Bußgeldverfahren. Ein ohne Zweifel bedeutungsschweres Indiz, wie das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, welches einen Vorsatz "nahe legt", ist aber allein auch in Verbindung mit der Örtlichkeit nicht geeignet, diesen Rechtsgedanken zu überwinden. Richtig ist vielmehr, dass der Vorsatz nachgewiesen werden muss und hieran auch nicht gerüttelt werden darf. Viele Verteidiger klagen hier nicht ohne Grund, sie hätten das Gefühl, es werde das schlechte Gefühl des Richters zum Abgrenzungsmaßstab gemacht. Dies darf natürlich nicht sein. Kann nicht sicher Vorsatz festgestellt werden, sondern liegt er nur nahe, so ist also wegen Fahrlässigkeit zu verurteilen. Der Tatrichter muss sich aber in diesen Fällen sicher ernsthaft mit der Frage des Vorsatzes auseinandersetzen. Auch wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 100 km/h überschritten wird, bedarf die tatrichterliche Feststellung, der Betroffene habe "nur fahrlässig" gehandelt, auch dann einer qualifizierten und nachvollziehbaren Begründung, wenn die Tat mit einem Motorrad begangen und damit begründet wird, der Betroffene habe das Drehmoment des Gasdrehgriffs der ihm unvertrauten Maschine unterschätzt. Rechtsfehlerhaft ist die Vorsatzannahme bei gemessenen 129 km/h bzw. nach Toleranzabzug festgestellter 125 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, obwohl die Geschwindigkeit auf 80 km/h beschränkt war. Möglicherweise kann aber auch fehlende Fahrpraxis den Vorsatzschluss in Frage stellen. Bloße Fahrlässigkeit kann bei erheblichen, zur Vorsatzannahme führenden Überschreitungen nur dann begründet werden, wenn es der Betroffene nicht bemerkt hat, dass und in welchem Ausmaß er das generell auf Landstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften geltende Tempolimit auf 100 km/h (§ 3 Abs. 3 Ziff. 2 c) S. 1 StVO) überschritt.
Behauptet der Betroffene aber unwiderlegbar, im Rahmen einer Anfahrt auf einen Geschwindigkeitstrichter abgelenkt gewesen zu sein, so kann zwar von Fahrlässigkeit auch hinsichtlich der festzustellenden Geschwindigkeitsüberschreitung, aber u.U. nicht einmal bei einer Überschreitung um 46 km/h von einem Vorsatz ausgegangen werden. (Beispiel: "Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, zwar die Beschränkungen auf 120 km/h und auf 100 km/h, nicht aber die Beschränkung auf 80 km/h gesehen zu haben. Er sei entweder durch die unübersichtliche Verkehrslage abgelenkt oder das Verkehrszeichen sei durch andere Fahrzeuge verdeckt gewesen. Da es sich zudem um die erste Beschränkung auf 80 km/h handelte und der Betroffene nicht mehrere Schilderpaare mit dieser Beschränkung passiert hatte, kann ohne Weiteres nicht davon ausgegangen werden, der Betroffene müsse die Beschränkung zwangsläufig wahrgenommen haben. Damit steht lediglich fest, dass der Betroffene die Beschränkung auf 100 km/h erkannt hatte. Bei einer Geschwindigkeit von 126 km/h und einer Überschreitung um 26 % ist ein Schluss dahin gehend, er habe diese Geschwindigkeitsüberschreitung bemerkt, allerdings noch nicht ohne Weiteres zulässig").
Eine Vorsatzannahme scheitert nicht an besonders hochwertigen Fahrzeugen mit guten Fahreigenschaften: Der Rückschluss auf vorsätzliche Tatbegehung begegnet auch im Lichte modern gedämmter hochpreisiger und hochmotorisierter Pkw keinen Bedenken.
Auch ein Irrtum über das Fortbestehen des Grundes einer Geschwindigkeitsbegrenzung führt zur Annahme von Fahrlässigkeit – es handelt sich dabei nämlich nicht um einen bloßen Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG), sondern um einen Tatbestandsirrtum – er betrifft äußere Umstände, die zum Tatbestand gehören und die er falsch beurteilt hat, so dass ein Vorsatz entfällt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Ein Streckenverbot, das zusammen mit einem Gefahrenzeichen angeordnet ist, entfällt auch ohne Aufhebungszeichen (Zeichen 282) dann, wenn sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht (Erläuterung Nr. 55 Satz 2 der Anlage 2 zu § 41 StVO).