AUB 94 § 1 § 2
Leitsatz
Ist nicht auszuschließen, dass sich ein Sturz durch eine Ruptur eines Aneurysmas ereignet, jedoch wahrscheinlicher, dass die Ruptur des Aneurysmas zu dem Sturz geführt hat und eine intracranielle, zur Invalidität führende Blutung ausgelöst hat, hat der Versicherungsnehmer keinen Anspruch auf eine Invaliditätsentschädigung.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.5.2007 – 5 U 575/06
Sachverhalt
Der Kläger unterhält seit dem 1.1.2002 bei der Beklagten eine Unfallversicherung.
Am 29.9.2002 stürzte er auf der Kellertreppe. Ursache und Folgen des Sturzes sind – mit Ausnahme einer Rippenfraktur – im Einzelnen streitig. Der herbeigerufene Rettungsdienst fand diesen im Erdgeschoss an einem Tisch sitzend vor. Der Kläger, der zusehends eintrübte, wurde in das S-Krankenhaus in L und von dort in die Neurochirurgie des Klinikums L verbracht, wo er noch am selben Tag wegen einer ausgedehnten Subarachnoidalblutung in Folge der Ruptur eines Media-Aneurysmas operiert wurde.
Durch die intracerebralen Blutungen hat der Kläger eine Beeinträchtigung seiner Gehirnfunktion, eine Halbseitenteillähmung rechts sowie zentrale Sprachstörungen davongetragen, der Grad der Behinderung wurde zunächst mit 80 %, später mit 100 % festgestellt. Bei den vorgefundenen Aneurysmen handelt es sich um angeborene Gefäßfehlbildungen mit deutlichen Hinweisen auf Verkalkungen im Bereich des Mediaaneurysmas.
Aus den Gründen
“ … Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Da ein Versicherungsfall nicht nachgewiesen ist, ist die Beklagte nicht verpflichtet, Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu erbringen.
1. Gem. §§ 11, 2 AUB bietet der Versicherer Versicherungsschutz bei Unfällen, die dem Versicherten während der Wirksamkeit des Vertrages zustoßen. Ein Unfall liegt vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet (§ 1 III AUB); die Gesundheitsschädigung ist Bestandteil des Unfallbegriffs und nicht Folge des Unfalls. Der Versicherungsnehmer ist voll beweispflichtig (§ 286 ZPO) für seine Behauptung, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist. Er muss also nachweisen, dass ein Unfallereignis als solches stattgefunden hat, dass eine Gesundheitsschädigung eingetreten ist und dass das Unfallereignis für die Gesundheitsschädigung kausal war (vgl. BGH RUS 1991, 143).
Die Parteien streiten darum, ob die Ruptur des Aneurysmas (abnorme, permanente, lokal begrenzte Gefäßfehlbildung in Form einer spindel- oder sackförmigen Erweiterung des Querschnitts arterieller Gefäße durch eine Störungen im Aufbau der Gefäßwandschichten) und die hierdurch hervorgerufene, für die Invalidität des Klägers ursächliche subarachnoidale Blutung auf den Sturz zurückzuführen ist, so der Kläger, oder ob vielmehr der Sturz Folge einer Spontanruptur des Mediaaneurysmas mit nachfolgender Subarachnoidalblutung gewesen ist, so die Beklagte. Da der Versicherungsnehmer für das Vorliegen eines unter den Versicherungsschutz fallenden Unfalles voll beweispflichtig ist, muss der Kläger nachweisen, dass der in Folge der Ruptur des Aneurysmas bzw. die hierdurch hervorgerufene subarachnoidalen Blutung eingetretene Gehirnschaden durch ein Unfallereignis herbeigeführt worden ist (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart VersR 1992, 306; OLG Koblenz RuS 1999, 348; OLG Köln RuS 1991, 356; OLG Schleswig VersR 1991, 916; OLG Hamm VersR 2002, 883; OLG Köln zfs 1989, 174). Diesen Nachweis hat der Kläger nicht zu führen vermocht.
Dass der Sturz die Ruptur des Aneurysmas bzw. die Subarachnoidalblutung verursacht hat, kann … nicht festgestellt werden.
Hiergegen sprechen bereits die Feststellungen in der von der Beklagten eingeholten neurochirurgischen Stellungnahme des Klinikums L, in dem der Kläger noch am Unfalltag medizinisch versorgt und operiert worden ist. Zu der Frage eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Subarachnoidalblutung und dem Sturz insbesondere unter dem Aspekt, ob der Sturz der Blutung vorangegangen ist oder ob vielmehr der Sturz Folge einer Spontanruptur eines Aneurysmas mit nachfolgender Blutung ist, ist ausgeführt, dass zwar ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Sturz und der stattgehabten Blutung als Folge des Sturzes nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Indes sei mit höchster Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es sich um eine spontane Ruptur des Mediaaneurysmas handele, zumal der intraoperative Befund deutliche Zeichen dafür erbracht habe, dass bereits im Vorfeld stattgehabte Blutungen zu Verklebungen und Vernarbungen im Bereich der basalen Zisternen geführt hätten.
Ebenso hat sich der vom Erstgericht bestellte Sachverständige G … geäußert. Auch er hält einen Geschehnisablauf, bei dem zunächst das sturzbedingte Trauma eine Blutung des Aneurysmas kausal verursacht hat, für die am wenigsten wahrscheinliche Variante. Zwar könne eine Ruptur des angeborenen Aneurysmas mit nachfolgender Blutung zu jeder Zeit als spontanes Ereignis, aber auch im Rahmen eines Traumas entstehen. Für eine traumabed...