SGB X § 119
Leitsatz
Ein Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung kann auch bestehen, wenn ein zum Unfallzeitpunkt rentenversicherungspflichtiger Geschädigter, der seinen früheren Beruf nicht mehr ausüben kann, eine Tätigkeit als Beamter aufnimmt.
BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 278/06
Sachverhalt
Die Klägerin macht als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gem. § 119 SGB X Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 31.5.1992 geltend, für den die Beklagte voll haftet.
Zum Unfallzeitpunkt stand der Geschädigte als Wirtschaftsingenieur in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Da er diese Tätigkeit wegen des Unfalls nicht weiter ausüben konnte, ist er seit dem 11.9.2000 als verbeamteter Berufsschullehrer mit halbem Deputat tätig.
Die Beklagte zahlte bis zum 31.12.2001 an die Klägerin die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die ohne den Unfall von dem gedachten Bruttoverdienst des Geschädigten abgeführt worden wären. Seitdem lehnt sie solche Zahlungen ab, weil der Geschädigte als Beamter aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschieden sei.
Die Klägerin verlangt die Zahlung der Beiträge für die Zeit vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2005 in Höhe von insgesamt 45.488,82 EUR und begehrt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, zukünftige unfallbedingte Ausfälle der Beitragsleistungen an die Klägerin zu zahlen. Ansonsten drohe bei Eintritt des Geschädigten ins Rentenalter eine Versorgungslücke.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.
Aus den Gründen
[6] “I. Das Berufungsgericht (OLGR Stuttgart 2006, 924) meint, seit der Verbeamtung des Geschädigten fehle es an einem nach § 119 SGB X übergangsfähigen Anspruch, den die Klägerin geltend machen könne. Die Beitragsausfälle beruhten seitdem auf dessen eigenem Entschluss und seien nicht “primär’ unfallbedingt. Im Übrigen setze der Anspruch voraus, dass der Geschädigte in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sei. Ein Beamter sei aber versicherungsfrei (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB X) und gehöre einem anderen Versorgungssystem an. Es sei nicht “systemgerecht’, die Zahlung von Beiträgen zu einem fremden Versorgungssystem zu verlangen. Soweit dem Geschädigten eine Versorgungslücke entstehe, könne er zwar persönlich von der Beklagten Ersatz verlangen, aber nicht mehr in Form von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.
[7] II. Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin auf Grund der Legalzession des § 119 Abs. 1 SGB X gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung, weil dem Geschädigten ein solcher Anspruch zusteht und auch im Übrigen die Voraussetzungen für einen Übergang des Schadensersatzanspruchs vorliegen.
[8] 1. a) Nach der st. Rspr. des erkennenden Senats können die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich Gegenstand eines Regresses nach § 119 SGB X sein. Sie gehören zum Arbeitseinkommen des pflichtversicherten Arbeitnehmers. Der Schädiger hat deshalb während der von ihm zu vertretenden Arbeitsunfähigkeit des Versicherten auch für diese Beiträge als dessen Verdienstausfallschaden i.S.v. §§ 842, 843 BGB aufzukommen, wenn und soweit sie in dieser Zeit fortzuentrichten sind. Ferner hat der Schädiger, wenn infolge des Verlustes der versicherungspflichtigen Beschäftigung die Beitragspflicht entfällt, grundsätzlich die Nachteile zu ersetzen, die dem Versicherten durch diese Störung seines Versicherungsverhältnisses entstehen. Als Erwerbs- und Fortkommensschaden sind auch die Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten durch eine Unterbrechung in der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen entstehen. Insoweit haben der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer prinzipiell schon bei Entstehung der Beitragslücken dafür zu sorgen, dass eine unfallbedingte Verkürzung späterer Versicherungsleistungen von vornherein ausgeschlossen wird, wobei die Ersatzpflicht nicht voraussetzt, dass eine nachteilige Beeinflussung der (späteren) Rente bereits feststeht, vielmehr schon die Möglichkeit einer Rentenverkürzung ausreicht, um vom Schädiger den Ersatz der Beiträge zur Fortsetzung der sozialen Vorsorge verlangen zu können (vgl. Senatsurteile BGHZ 46, 332, 333 ff.; 69, 347, 348 ff.; 97, 330, 332; 101, 207, 211 ff.; 116, 260, 263; 129, 366, 368; 143, 344, 348, 355 f.; v. 10.7.2007, VersR 2007, 1536, 1537, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
[9] b) Die in § 119 Abs. 1 SGB X angeordnete Legalzession dient dazu sicherzustellen, dass der Schaden des Verletzten, der in der Störung seines Versicherungsverlaufs durch das Ausbleiben von Beitragszahlungen liegt, durch Naturalrestitution ausgeglichen wird, ohne dass es des Umwegs über eine Geltendmachung und anschließende Abführung durch den Versicherten selbst bedarf (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 284, 290; 143, 344, 350). Zu diesem Zweck hat ...