“ … II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg führt in ihrer Antragsschrift vom 11.6.2007 hierzu aus:
“Mit der zulässigen Rechtsbeschwerde wird die Verletzung sachlichen Rechts gerügt. Ihr ist auf die auch in allgemeiner Form erhobene Sachrüge hin ein – zumindest vorläufiger – Erfolg nicht zu versagen, denn die bisherigen Feststellungen zu den Geschwindigkeitsüberschreitungen und die ihr zugrunde liegende Beweiswürdigung tragen den Schuldspruch und damit auch die verhängten Rechtsfolgen nicht.
Zwar dürfen an die Urteilsgründe im Bußgeldverfahren keine übertrieben hohen Anforderungen gestellt werden, doch ist bei Geschwindigkeitsverstößen nach allgemeiner Meinung der Obergerichte zumindest erforderlich, dass mitgeteilt wird, welches Messverfahren angewandt und welcher Toleranzwert berücksichtigt worden ist (OLG Bamberg in ständiger Rechtsprechung; zuletzt: Beschl. v. 11.7.2006 – 3 Ss OWi 906/2006 – und vom 19.9.2006 – 3 Ss OWi 1160/2006 – jeweils m.w.N.), um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung, ob die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung fehlerfrei ermittelt wurde, zu ermöglichen.
Im Urteil wird zwar angegeben, dass die Geschwindigkeitsüberschreitungen durch Auswertung der Tachoscheibe festgestellt wurden (UA S. 4). Nicht mitgeteilt wird aber, welcher Toleranzwert dabei (jeweils) in Abzug gebracht wurde. Die Angabe des (jeweiligen) Toleranzwertes war auch nicht (ausnahmsweise) entbehrlich, da ein uneingeschränktes und glaubhaftes Geständnis, die vorgeworfenen Geschwindigkeiten – mindestens – gefahren zu sein (vgl. hierzu grundlegend: OLG Bamberg, a.a.O.; BGHSt 39, 291 ff. [= zfs 1993, 390]), nicht vorliegt. Aus den Feststellungen des Urteils ergibt sich vielmehr, dass der Betroffene über seine Verteidigerin zwar die Fahrereigenschaft eingeräumt, zugleich aber Einwendungen gegen die richtige Funktionsweise des Fahrtenschreibers erhoben hat (UA S. 4/5).
Der (jeweilige) Toleranzwert kann hier auch nicht der bei den Akten befindlichen Tachoscheibe entnommen werden, da das AG auf diese nicht prozessordnungsgemäß Bezug genommen (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO) und sie damit nicht zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht hat.
Dieser sachlich-rechtliche Darstellungsmangel führt dazu, dass auf eine Mitteilung des (jeweiligen) Toleranzwertes nicht verzichtet werden konnte (OLG Bamberg, a.a.O.).
Da das AG hiernach keine zureichenden Feststellungen zum Schuldspruch getroffen hat, muss das Urteil wegen Lückenhaftigkeit der Urteilsgründe (§ 267 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG, § 337 StPO) aufgehoben und die Sache neu verhandelt werden (OLG Bamberg, a.a.O.).’
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.
2. … .
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:
Die Auswertung des Schaublattes eines Fahrtenschreibers i.S.v. § 57a Abs. 1 StVZO oder eines EG-Kontrollgerätes gem. Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 3821/85 zum Zwecke der Feststellung von Geschwindigkeitsverstößen kann das Gericht im Regelfall, d.h. bei deutlichen und ohne weiteres aus dem Schaublatt ablesbaren Aufzeichnungen, die eine exakte Zuordnung ermöglichen, durch Inaugenscheinnahme in der Hauptverhandlung ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen vornehmen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. § 57a StVZO Rn 6 m.w.N.). In diesem Fall ist nach der bisherigen Meinung in Rspr. und Literatur zum Ausgleich von Fehlerquellen ein Toleranzwert von 6 km/h von der festgestellten Geschwindigkeit in Abzug zu bringen (OLG Köln VRS 93, 206/207; BayObLG NZV 2002, 144/145; Hentschel a.a.O. Rn 6; Janiszewski/Jagow/Burmann, Straßenverkehrsrecht, 18. Aufl. § 3 StVO Rn 74). Dieser Toleranzwert wird aus Anhang I Ziffer III. f) Nr. 3b) zu VO (EWG) Nr. 3821/85 hergeleitet, in dem die zulässige Fehlergrenze für die Anzeige- und Schreibeinrichtung eines EG-Kontrollgerätes mit +/- 6 km/h für die Geschwindigkeit während des Betriebs festgelegt ist. Dies bedeutet, dass ein ordnungsgemäß funktionierendes und geprüftes EG-Kontrollgerät diese Toleranzabweichungen haben darf und deswegen zugunsten des Betroffenen in der Regel ein Toleranzabzug in dieser Höhe vorgenommen werden muss (OLG Köln VRS 93, 206/207). … “
Mitgeteilt von RA Dr. Ingo E. Fromm, Koblenz