Während in unserem Beispielsfall auf Grund der Anklage sowie des rechtlichen Hinweises noch verhältnismäßig deutliche Anhaltspunkte für die Frage bestehen, wann von einem Vorsatzvorwurf und wann von einem Fahrlässigkeitsvorwurf auszugehen ist, dürfte im Ermittlungsverfahren regelmäßig eine klare Festlegung durch die Verfolgungsbehörden fehlen. Allenfalls bei einem Beschluss der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gem. § 111a StPO mag im Einzelfall eine Festlegung des dringenden Tatverdachts erfolgen. Es stellt sich die Frage, von welchem Vorwurf versicherungsrechtlich auszugehen ist, wenn weder die Polizei (z.B. im Anhörungsbogen) noch die Staatsanwaltschaft (z.B. in der Eingangsverfügung) eine Festlegung treffen.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Verkehrsbereich gem. § 2 i aa S. 1 ARB 94/2000/2008 grundsätzlich unabhängig von der Verschuldensform Rechtsschutz besteht. Gem. § 2 i aa S. 2 ARB 94/2000/2008 wird demgegenüber lediglich für den Fall einer rechtskräftigen Feststellung einer Vorsatztat eine Erstattung der Kosten "für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens" geregelt. Die Kostenerstattung stellt dementsprechend dogmatisch die Ausnahmeregelung zum grundsätzlichen Rechtsschutz nach S. 1 dar (sog. sekundäre Risikobegrenzung). Folglich trägt der Versicherer für die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung die Darlegungs- und Beweislast. Das bedeutet, dass im Verkehrsbereich dann, wenn bei einem vorsätzlich und fahrlässig begehbaren Delikt der Tatvorwurf im Ermittlungsverfahren nicht feststeht, dem Versicherer nicht die Darlegung gem. S. 2 möglich ist, dass die Kosten für die Verteidigung wegen des Vorwurfes des Vorsatzes getragen wurden. Dementsprechend ist im Zweifel gem. S. 1 der Regelung (endgültig) Deckung zu gewähren, während eine Rückzahlungspflicht bezogen auf die für die Verteidigung in dieser Zeit entstandenen Kosten ausscheidet.
Gleiches gilt im Ergebnis auch bei Altverträgen, bei denen sich die Rechtlage nach den ARB 75 bestimmt. Denn sowohl in § 4 Abs. 3 b ARB 75 als auch bei der Rückzahlungsverpflichtung gem. § 20 Abs. 4 ARB 75 wird – ebenfalls als Ausnahme und damit als sekundäre Risikobegrenzung formuliert – geregelt, dass im Falle der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Vorsatztat kein Versicherungsschutz bzw. eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung besteht. Gem. § 20 Abs. 4 ARB 75 hat der Versicherer zudem als Voraussetzung eines Rückzahlungsanspruchs darzulegen und ggf. zu beweisen, dass es sich um Leistungen handelt, die erbracht wurden, "nachdem dem Versicherungsnehmer ein vorsätzliches Verhalten zur Last gelegt wurde". Auch hier gilt daher, dass im Zweifel ein Rückzahlungsanspruch ausscheidet, wenn nicht zweifelsfrei feststeht, dass tatsächlich im Ermittlungsverfahren bereits ein auf vorsätzliches Handeln gerichteter Tatvorwurf bestand.