BGB § 339
Leitsatz
Zur Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag, wenn nach einem Unfall die Polizei, nicht aber der Autovermieter unmittelbar benachrichtigt wird.
BGH, Urt. v. 21.11.2007 – XII ZR 213/06
Sachverhalt
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung einer Vertragsstrafe aus einem Kfz-Mietvertrag. Die Klägerin, die eine gewerbliche Autovermietung betreibt, vermietete mit Vertrag vom 14.4.2003 an die Beklagte einen Kleintransporter.
§ 8a der Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthält folgende Bestimmung:
"Der Mieter hat bei einem Unfall die Polizei sowie den Vermieter unmittelbar nach dem Schadenseintritt zu verständigen. Unterlässt der Mieter schuldhaft die Benachrichtigung des Vermieters oder der Polizei, so hat er an den Vermieter eine Vertragsstrafe in Höhe des an den Unfallgegner zu erstattenden Schadens, höchstens aber 850 EUR zu entrichten. Die Unfallmeldung ist während und auch außerhalb der Geschäftszeiten unter der Tel.-Nr. 030/ zu erstatten."
Diese und eine weitere Klausel hat die Klägerin auf der Rückseite des Mietvertrages gesondert abgedruckt und von der Beklagten zusätzlich unterzeichnen lassen.
Am 20.4.2003 gegen 11.00 Uhr kam es zum Zusammenstoß zwischen dem von der Beklagten gelenkten Mietwagen und einem auf die Straße laufenden Kind. Die Beklagte und ihr Ehemann, der Zeuge B, kümmerten sich um das verletzte Kind; der Zeuge B verständigte per Handy die Polizei, die einen Krankenwagen rief. Nach Eintreffen des Krankenwagens und der Erstversorgung des Kindes vor Ort begleiteten die Beklagte und ihr Ehemann das Kind ins Krankenhaus.
An dem Mietwagen entstand durch den Unfall kein Schaden. Die Haftpflichtversicherung der Klägerin bezahlte von den Krankenhauskosten für die Behandlung des Kindes einen Anteil von 1.410,72 EUR.
Die Klägerin behauptet, sie habe erstmals im Dezember 2003 von dem Unfall erfahren. Demgegenüber trägt die Beklagte vor, ihr Ehemann habe etwa eine Stunde nach dem Unfall während der Fahrt ins Krankenhaus bei der Klägerin angerufen und ihr den Unfall gemeldet.
Das AG hat die auf Zahlung von 850 EUR gerichtete Klage abgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 425 EUR nebst Zinsen verurteilt. Die weiter gehende Klage hat es abgewiesen.
Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter, während die Klägerin mit ihrer Anschlussrevision eine vollständige Verurteilung der Beklagten erstrebt.
Aus den Gründen
[11] “Die Revision der Beklagten hat Erfolg; die Anschlussrevision der Klägerin ist dagegen unbegründet.
[12] I. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die wirksam vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. Die Beklagte habe zwar bewiesen, dass sie die Klägerin etwa eine Stunde nach dem Unfall benachrichtigt habe. Diese Schadensmeldung könne jedoch nicht als unmittelbar nach dem Schadenseintritt erfolgt angesehen werden. Die Beklagte habe allerdings zuerst das Kind versorgen und einen Krankenwagen sowie die Polizei herbeirufen dürfen. Nachdem die Hilfe rund 20 Minuten nach dem Unfall eingetroffen sei, habe die Beklagte aber dafür sorgen müssen, dass die Klägerin von dem Unfall benachrichtigt werde. Das sei erst wesentlich später, nämlich nachdem die Polizei die Aufnahme des Unfalls abgeschlossen habe und das Kind zum Krankenhaus abgefahren worden sei, und damit nicht mehr “unmittelbar’ nach dem Schadenseintritt erfolgt. “Unmittelbar’ bedeute nämlich, dass der engstmögliche zeitliche und räumliche Zusammenhang zu wahren sei, d.h., dass der Mieter des Fahrzeugs den Vermieter vom Unfallort aus anzurufen habe. Nur dann sei gewährleistet, dass sich die Klägerin von dem Hergang des Unfalls ein eigenes Bild machen und sich auf die zu erwartende Auseinandersetzung mit dem Unfallgegner vorbereiten könne.
[13] Die verwirkte Vertragsstrafe sei jedoch im Hinblick auf das nicht allzu schwer wiegende Verschulden der Beklagten gem. § 343 BGB auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen. Dieser sei unter Abwägung aller Umstände in Höhe der Hälfte des ausbedungenen Betrages, somit in Höhe von 425 EUR, angemessen.
[14] Das LG hat die Revision zur Klärung der Fragen zugelassen, was bei einem Unfall mit ausschließlichem Personenschaden noch als “unmittelbare’ Verständigung des Vermieters des Fahrzeugs anzusehen sei, ferner ob, bei der Annahme, die Verständigung sei keine unmittelbare gewesen, § 343 BGB zur Anwendung kommen könne und welche rechtlichen Gesichtspunkte ggf. dabei maßgebend seien.
II. Zur Revision der Beklagten
[15] Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
[16] 1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vertragsstrafenklausel in § 8a der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie die Revision meint – der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhält und deshalb unwirksam ist. Denn die Vertragsstrafe ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – schon deshalb nicht verwirkt, weil die ...