Die Entscheidung stellt ein grundsätzliches Problem der Anwaltshaftung bei der Prozessführung dar:
Das Gericht geht auf Grund einer "unzureichenden Rechtsrecherche", die sich in der Heranziehung alter, inzwischen durch höchstrichterliche Rspr. überholter, in Zeitschriften veröffentlichter Entscheidung, die auch im Palandt nachgewiesen wird, von einer fehlerhaften, sich in einem unrichtigen Hinweisbeschluss niederschlagenden Rechtsansicht aus. Der Anwalt tritt dem nicht entgegen. Die unrichtige Entscheidung wird rechtskräftig.
Nachdem der Mandant erfahren hat, dass er den Rechtsstreit unter Heranziehung der neuen höchstrichterlichen Rspr. hätte gewinnen müssen, macht er nunmehr einen Schadensersatzanspruch gegen seinen früheren Anwalt geltend. Da das Gericht auf Grund des Spruchrichterprivilegs, das auf urteilsvertretende Beschlüsse ausgedehnt worden ist (vgl. § 839 Abs. 2 BGB, Medicus, AnwBl. 2004, 257 (259) – von der theoretischen Möglichkeit des Vorliegens einer Rechtsbeugung abgesehen – nicht haftet, bleibt nur der haftpflichtversicherte Anwalt als Haftender (vgl. hierzu kritisch Medicus a.a.O.).
Ansatzpunkt für die Haftung des Anwalts ist die Verletzung seiner Pflicht gegenüber seinem Mandanten, diesen bei der Verfolgung des Mandatsziels vor vorhersehbaren und vermeidbaren Nachteilen zu bewahren (vgl. BGH NJW 1974, 1865 (1866); BGH NJW 1996, 2648 (2649 f.); Rinsche, Fahrenderf-Terbille, Anwaltshaftung, 7. Aufl. Rn 590). Daraus hat die Rspr. für die Interessenwahrnehmung im Rechtsstreit eine Verpflichtung des Anwalts entwickelt, sich ankündigenden Fehlern des Gerichts, die sich in der Entscheidung niederschlagen könnten, entgegenzutreten (vgl. BGH NJW – RR 1990, 1241 (1242); BGH NJW 1988, 486 (487); Odersky, NJW 1989, 1 (3); Rinsche/Fahrendorf/Terbille, a.a.O. Rn 415). Die Rolle des Anwalts im Rechtstreit erschöpft sich gerade nicht in dem Beibringen des Tatsachenstoffs, sondern weist ihm die Verpflichtung zu, alle für seinen Mandanten sprechenden Umstände vorzutragen, zu denen auch der Hinweis auf höchstrichterliche Rspr. gehört (vgl. BGH NJW 1996, 2648 (2650). Allerdings wird gleichzeitig betont, dass dem Gericht die Verantwortung für die im Urteil getroffene Entscheidung zugewiesen wird (vgl. BGH a.a.O.). Bei leicht erkennbaren unrichtigen Hinweisen des Gerichts auf Grund unzureichender Auswertung der Rspr. liegt es nahe, dem Anwalt eine Schlechterfüllung seiner aus dem Mandatsverhältnis zu entnehmenden Verpflichtung zur Entgegenwirkung von (sich ankündigenden) Fehlern des Gerichts anzunehmen (vgl. auch Rinsche/Fahrendorf/Terbille, a.a.O. Rn 427). Damit wird auch nicht die Sorgfaltspflicht des Anwalts überspannt, der bei vertragsgerechtem Arbeiten die entgegenstehende Rspr. des BGH in den Rechtsstreit hätte einführen können und damit der Entscheidung eine andere, für seinen Mandanten günstige Richtung hätte geben können.
Allerdings erscheint es verfehlt, dem Anwalt in jedem Falle eine Ersatzpflicht aufzuerlegen, in dem er die Ansicht des Gerichts nicht getroffen hat (vgl. Medicus, a.a.O., S. 261). Die damalige Verfassungsrichterin Jaeger hat das Problem der gestörten Aufgabenteilung zwischen Gericht und Anwalt, bei Fehlen versuchter Steuerung des Anwalts auf eine richtige Entscheidung hin, wie folgt umschrieben:
"Die Richterin in mir empfindet es als beschämend, wenn Gerichte den Anwalt für Gerichtsfehler haften lassen. Es ist schon hart, dass der im Prozess am Ende Unterlegene auch die Gerichtskosten trägt, die durch Irrtümer und Verfahrensfehler der Richter im Instanzzug entstehen." (NJW 2004, 1 (5)).
In diese Richtung deutet die Kammerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.8.2002 (NJW 2002, 2937), die Gerichte als nicht verfassungsrechtlich legitimiert ansieht, auf dem Umweg über den Haftungsprozess auch die Verantwortung für die zutreffende Rechtsanwendung aufzuerlegen. Darin sah das BVerfG einen unzulässigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (kritisch hierzu Medicus, a.a.O.; Knöfel, AnwBl. 2004, 76 (78). Weiterhin müsste bei Bejahung der Haftung des Anwalts erörtert werden, ob die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld zu einer Haftungsprivilegierung des Anwalts führen können (vgl. hierzu Medicus, a.a.O.); eingehend Fahrendorf, a.a.O. Rn 796 ff.
RiOLG Heinz Diehl, Frankfurt am Main