Das amtsgerichtliche Urteil, das rechtskräftig geworden ist, gibt Anlass zu verschiedenen weder vom Gericht noch von den Parteien des Rechtsstreits erörterten Problemen.
I. Freistellung oder Zahlung
Die Klägerin hatte von der beklagten Haftpflichtversicherung Freistellung von den Honoraransprüchen ihrer Prozessbevollmächtigten begehrt, weil sie deren Honorarforderung offensichtlich noch nicht beglichen hatte. An sich hätte die Klägerin gleich auf Zahlung klagen können, weil die Beklagte vorprozessual die Erfüllung der Resthonorarforderung endgültig verweigert hatte. In einem solchen Fall wandelt sich der Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um (so allgemein BGH NJW 1993, 2232 = WM 1993, 1557; AG Aachen RVGreport 2005, 60 [Hansens] = JurBüro 2005, 192 mit Anm. Enders = AGS 2005, 107 mit Anm. N. Schneider = AnwBl. 2005, 223 mit Anm. Henke für die Verkehrsunfallschadenregulierung).
II. Geschäftsgebühr und Kappungsgrenze
Gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt Rahmengebühren wie die hier in Rede stehende Geschäftsgebühr unter Berücksichtigung der dort aufgeführten Umstände nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr – wie hier – von einem Dritten zu ersetzen, so ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach der auch schon zu BRAGO-Zeiten vorherrschenden Auffassung ist die von dem RA getroffene Gebührenbestimmung nur dann unbillig, wenn sie die vom Gericht als billig angesehene Gebühr um mehr als 20 % übersteigt (sog. Toleranzgrenze).
Das AG ist hier – insoweit in Übereinstimmung mit der Beklagten – davon ausgegangen, dass es sich um eine durchschnittliche Schadensregulierung gehandelt hat, die grundsätzlich den Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr rechtfertigt (BGH zfs 2007, 102 mit Anm. Hansens = NJW-RR 2007, 420 = AGS 2007, 30 mit Anm. Schons = JurBüro 2007, 72 mit Anm. Enders). Nach Auffassung des AG lag die hier von dem Rechtsanwalt bestimmte 1,5 Geschäftsgebühr noch innerhalb der Toleranzgrenze (1,3 Gebühr + 20 % = 1,56 Gebühr).
Diese Argumentation ist unzutreffend. Das AG hat nicht berücksichtigt, dass nach der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war (sog. Schwellengebühr). Der Gebührenrahmen von 1,3 kann deshalb nur dann überschritten werden, wenn einer der beiden gesetzlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt ist. Hierbei handelt es sich somit nicht um eine vom Gericht nur im beschränkten Umfang überprüfbare Ermessensentscheidung des Rechtsanwalts, sondern um das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Berechnung der 1,5 Gebühr. Folglich kann die in der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG bestimmte Kappungsgrenze von 1,3 nicht durch Ausnutzen der Toleranzgrenze überschritten werden (so auch OLG Jena RVGreport 2005, 145 (Hansens) = AnwBl. 2005, 196 = AGS 2005, 201 = JurBüro 2005, 303).
Die Klägerin hätte deshalb – was sie in ihrer Klagebegründung nicht getan hat – die für die Gebührenbestimmung maßgeblichen Umstände vortragen müssen. Für das Überschreiten der Schwellengebühr hätte sie deshalb im Einzelnen darlegen müssen, dass die vorprozessuale Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten bei der Verkehrsunfallschadenregulierung entweder umfangreich oder schwierig gewesen ist.
III. Geschäftsgebühr bei mehreren Auftraggebern
Die beklagte Haftpflichtversicherung hatte vorprozessual der Klägerin bereits eine 1,3 Geschäftsgebühr gezahlt. Die Klage wegen der ferner verlangten Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG hat das AG abgewiesen. Das ist zutreffend.
Folgerichtig nicht zu erörtern war vom AG die Frage, ob die beklagte Haftpflichtversicherung der Klägerin nicht ohnehin zu hohe Anwaltskosten gezahlt hat. Die geltend gemachte 1,5 + 0,3 Geschäftsgebühr war nämlich für die vorgerichtliche Vertretung auch des Ehemannes der Klägerin angefallen, der nicht Partei des Rechtsstreits gewesen ist. Hier wäre zu überlegen, ob nicht die Rspr. des BGH zur Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Vertretung mehrerer Streitgenossen im Kostenfestsetzungsverfahren Anwendung findet. Danach kann nämlich bei Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts durch Streitgenossen der obsiegende Streitgenosse von dem unterlegenen Gegner die Erstattung grundsätzlich nur in Höhe des seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteils (regelmäßig des Kopfteils) verlangen (BGH NJW-RR 2006, 1508 = RVGreport 2006, 235 [Hansens] = AGS 2006, 620; BGH NJW 2003, 3419 = BRAGOreport 2003, 177 = JurBüro 2004, 197 und BGH NJW-RR 2003, 1507 = JurBüro 2004, 199).
Geht man hier von einem Durchschnittsfall aus, ist den Rechtsanwälten für die Unfallschadenregulierung für beide Eheleute eine 1,3 + 0,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300, 1008 VV RVG angefallen. Der auf die Klägerin entfallene Anteil wäre deshalb entsprechend ihrem Kopfteil nur eine 0,8 Geschäftsgebühr gewesen. Die beklagte Haftpflichtversicherung hätte deshalb im Rechtsstreit (hilfsweise) die Aufrech...