RA Oskar Riedmeyer
Diese Frage stellt die EU-Kommission derzeit im Rahmen einer EU-weiten Konsultation an alle Mitgliedsstaaten, Fachverbände und interessierte Bürger. Anlass für die Konsultation ist eine Aufforderung des europäischen Gesetzgebers, die Auswirkungen der unterschiedlichen Schadensersatzrechte in den Mitgliedsstaaten festzustellen, Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und die Unterschiede zu verringern. Der Arbeitsauftrag wurde in der Rom-II-Verordnung 864/2007 festgeschrieben.
So wird derzeit darüber diskutiert, ob es ausreicht, dass bei der Anwendung des Tatortrechts die Verhältnisse am Wohnsitz des Geschädigten berücksichtigt werden (so die derzeitige Rechtslage auf Grund der Rom-II-VO). Die bereits vor dem Erlass der Verordnung vom EU-Parlament geforderte Regelung, wonach jeder Reisende in ein anderes Mitgliedsland sein eigenes Schadensersatzrecht mitnimmt, ist ebenfalls wieder auf dem Tableau der Konsultation.
Weitergehend zu den beiden bereits bekannten Vorschlägen hat die EU-Kommission Alternativen zur Diskussion gestellt, die in ihren Auswirkungen durchaus erhebliche Änderungen für das deutsche Schadensersatzrecht mit sich bringen würden.
Es wird vorgeschlagen, europäische Leitlinien einzuführen, die einen Mindeststandard bei Schadenspositionen für alle Mitgliedsstaaten vorsehen oder zumindest die Schmerzensgeldbeträge zu harmonisieren. Da die deutsche Rechtsprechung sowohl im Sachschadens- als auch im Personenschadensbereich weit über diesen Mindeststandards liegt, ist zu befürchten, dass die Einführung derartiger Leitlinien tendenziell zu einer Beschneidung der Ansprüche der Geschädigten führen würde.
Die Optionen enthalten aber auch einige versicherungsvertragliche Lösungsvorschläge. So wird gefragt, ob die Mitgliedsstaaten die Ausweitung des Deckungsumfangs der Kraftfahrtzeug-Pflichtversicherung vorziehen würden, die alle Insassen einschließlich des Fahrers in den Versicherungsschutz einbeziehen würde.
Die zweite versicherungsvertragliche Option sieht den Einstieg in das französische System der Direktregulierung vor. Demnach soll der Kfz-Haftpflichtversicherer des Reisenden dessen Schaden in dem Umfang regulieren, als hätte sich der Unfall im Wohnsitzstaat des Reisenden ereignet. Um eine möglichst einfache Handhabung dieses Systems zu gewährleisten, würden alle Haftpflichtversicherer durch eine verbindliche Vorschrift verpflichtet werden, sich einem Regress-System entsprechend der französischen Direktregulierung anzuschließen.
Der Verkehrsrechtsausschuss des DAV wird schon in diesem Konsultationsverfahren eine Stellungnahme abgeben und damit schon vor dem Beginn des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens Stellung beziehen. Dabei kann die Einführung einer EU-weiten Direktregulierung nicht das Ziel der Vereinheitlichung sein. Der dadurch verursachte erhöhte Aufwand der Versicherer könnte nämlich nur über höhere Prämien oder geringere Schadensersatzleistungen finanziert werden. Zudem würden die Geschädigten eines Verkehrsunfalls anders gestellt werden als Opfer sonstiger unerlaubter Handlungen, bei denen kein Pflichtversicherer eintrittspflichtig ist. Die Forderung des EU-Parlaments, die Folgen eines Verkehrsunfalls stets nach dem Heimatrecht des Geschädigten zu regulieren, kann unter Berücksichtigung der Regulierung nach der 4. KH-Richtlinie und der Möglichkeit der Klage am Wohnsitz des Geschädigten nach dem EuGH-Urteil "Odenbreit" eine zukunftsträchtige Alternative sein, deren Vor- und Nachteile aber noch in Ruhe abzuwägen sind.
Formelle Fragen, wie beispielsweise die Verjährung, könnten einer Vereinheitlichung zugeführt werden. Eine generelle Vereinheitlichung des Schadensersatzrechts innerhalb Europas ist jedoch abzulehnen. Die Unterschiede in den einzelnen Mitgliedsstaaten sind spätestens seit der Osterweiterung so erheblich, dass die wirtschaftlich schwachen Staaten auch niedrige Mindeststandards nicht leisten könnten, während Geschädigte in Staaten wie Deutschland oder Großbritannien im Schadensfall erhebliche Einschnitte hinnehmen müssten.